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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Bei einer Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft tritt Anwachsung bei den verbleibenden Mitgliedern ein

Wird die Erbengemeinschaft teilauseinandergesetzt, tritt Anwachsung hinsichtlich der Erbteile der ausgeschiedenen Miterben bei den verbleibenden Mitgliedern der Erbengemeinschaft ein.

BGH, Urteil vom 27. 10. 2004 – IV ZR 174/03

BGB § 2042, Vorinstanz: OLG Celle

Zum Sachverhalt:

Die Kl. verlangt von ihrem Bruder, dem Bekl., Pflichtteilsergänzung nach der Mutter der Parteien. Aus der Ehe der Eltern der Parteien sind fünf Kinder hervorgegangen. Der Vater verstarb 1983. Er wurde kraft Gesetzes von der Mutter zu 5/10 und von jedem der Kinder zu 1/10 beerbt. Durch Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 17. 10. 1989 schieden drei Geschwister, darunter die Kl., gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Durch notariellen Vertrag vom 12. 1. 1990 übertrugen die Mutter und die in der Erbengemeinschaft nach dem Vater verbliebene Schwester ihre Erbanteile im Hinblick auf schon empfangene oder weitere Gegenleistungen auf den Bekl.; dieser stellte die beiden anderen Vertragsbet. von der Erfüllung noch nicht erledigter Abfindungszahlungen aus dem Vertrag vom 17. 10. 1989 frei. 1998 starb die Mutter der Parteien; es trat gesetzliche Erbfolge ein. In der Übertragung der Erbanteile der Mutter nach dem Vater durch den Vertrag vom 12. 1. 1990 lag unstreitig eine gemischte Schenkung zu Gunsten des Bekl. Deshalb verlangt die Kl. Pflichtteilsergänzung. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Höhe der Erbanteile, die der Mutter nach Ausscheiden der drei weiteren Geschwister durch den Vertrag vom 17. 10. 1989 an der Erbengemeinschaft nach dem Vater zustanden. Nach Auffassung der Kl. sind die Anteile der ausgeschiedenen Geschwister den in der Erbengemeinschaft verbliebenen Miterben im Verhältnis ihrer Erbteile angewachsen, so dass sich der Anteil der Mutter auf 5/7 erhöht hat. Nach Ansicht des Bekl., der die Vorinstanzen gefolgt sind, ist es dagegen nicht zu einer Anwachsung gekommen.


Mit der Revision verfolgt die Kl. ihren Standpunkt weiter. Die Revision hatte zum Teil Erfolg und führte zu einer Neuberechnung der Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Kl. nach ihrer Mutter.

Aus den Gründen:


1. Das BerGer. zieht als Grundlage der von der Kl. vertretenen Anwachsung der Erbteile der aus der Erbengemeinschaft nach dem Vater ausgeschiedenen Miterben auf die verbleibenden Miterben die Vorschriften der §§ 1935, 2094 BGB in Betracht und gelangt zu dem Ergebnis, dass sie einen auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirkenden Wegfall von Miterben voraussetzen, der hier nicht vorliege. Selbst eine analoge Anwendung dieser Vorschriften führe aber nicht zu dem von der Kl. gewünschten Ergebnis: Nach §§ 1371, 1931 BGB stehe dem überlebenden Ehegatten nicht mehr als die Hälfte des Nachlasses unabhängig davon zu, ob sich fünf oder nur zwei Abkömmlinge den Rest teilen. Die von der Kl. herangezogene gesellschaftsrechtliche Regelung des § 738 BGB sei auf die Erbengemeinschaft nicht anwendbar, weil in den §§ 2032, 2038 II, 2042 II, 2044 I BGB nicht auf das Gesellschaftsrecht, sondern auf das Recht der Bruchteilsgemeinschaft verwiesen werde, das eine der Anwachsung vergleichbare Regelung nicht kenne. Eine Anwachsung zu Gunsten der Mutter sei von den Beteiligten der Verträge vom 17. 10. 1989 und 12. 1. 1990 auch nicht gewollt gewesen; vielmehr habe der Bekl. allein sämtliche Gegenleistungen aufbringen sollen.


2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.


a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die Anteile von Miterben, die aus einer fortbestehenden Erbengemeinschaft durch Teilauseinandersetzung ausscheiden, den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile anwachsen (BGHZ 138, 8 [11] = NJW 1998, 1557 m.w. Nachw.). Das folgt aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbengemeinschaft als Gesamthand, in der die einzelnen Nachlassgegenstände der Gemeinschaft im Ganzen zustehen (§§ 2033 II, 2040 I BGB). Dieser Charakter der Erbengemeinschaft hat die Anwendung des in anderem Zusammenhang in § 738 I 1 BGB beim Ausscheiden von Mitgliedern einer Gesamthand vorgesehenen Anwachsungsprinzips auch auf die Erbengemeinschaft zur Folge. Auf den Willen der Bet. kommt es insoweit nicht an.


b) Diesem Anwachsungsprinzip steht die Verweisung auf einzelne Vorschriften aus dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft in §§ 2038 II, 2042 II, 2044 I BGB nicht entgegen. Die Vorschriften der §§ 1935, 2094, 2095 BGB, die den rückwirkenden Wegfall von Erben und damit die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft im Zeitpunkt des Erbfalls betreffen, schließen eine Anwachsung in anderen als den dort geregelten Fällen nicht aus, sondern zeigen, dass die Anwachsung dem Recht der Erbengemeinschaft nicht fremd ist (BGHZ 138, 8 [13] = NJW 1998, 1557).


c) Gerade am Beispiel einer Teilauseinandersetzung, wie sie hier durch den Vertrag vom 17. 10. 1989 vorgenommen worden ist, wird deutlich, dass die Anteile der verbleibenden Erben am Nachlass nicht mit der gleichen Quote bemessen werden können wie vor der Teilauseinandersetzung: Der Nachlass ist hier durch Abfindungsleistungen, die teilweise sofort erbracht, teilweise aber auch erst später fällig und durch eine Belastung von in der Erbengemeinschaft verbleibenden Grundstücken finanziert wurden, real und in seinem wirtschaftlichen Wert verkleinert worden. Den ausscheidenden Miterben sollte der Wert ihres Erbteils zugute kommen; dadurch sollte aber der Wert des Anteils der verbleibenden Erben nicht geschmälert werden. Die Anteile der verbleibenden Miterben können bei einer Verkleinerung des Nachlasses ihren bisherigen Wert aber nur behalten, wenn sie sich der Quote nach entsprechend erhöhen. Diesen Gedanken hat die Revision anhand von Rechenbeispielen näher erläutert; dem tritt der Bekl. in der Revisionsinstanz nicht mehr entgegen. Danach ist hier von einem Anteil der Mutter an dem nach der Teilauseinandersetzung vom 17. 10. 1989 in der ungeteilten Erbengemeinschaft verbliebenen Nachlass von 5/7 auszugehen.


3. Für die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Kl. sind folgende Überlegungen maßgeblich:


a) Im Anschluss an die Feststellungen im Urteil des LG ist mit dem BerGer. davon auszugehen, dass der ungeteilte Nachlass, der dem Bekl. infolge des Erbteilsübertragungsvertrags vom 12. 1. 1990 allein gehörte, nur noch aus dem Grundvermögen bestand, das nach der Teilerbauseinandersetzung vom 17. 10. 1989 in der fortbestehenden Erbengemeinschaft geblieben war. In der Präambel des Vertrags vom 12. 1. 1990 heißt es, dass die Erbengemeinschaft „hinsichtlich des … Grundbesitzes” aufgehoben und auseinander gesetzt werde. Soweit die Kl. unter Bezug auf ein anderes Verfahren in der Revisionsinstanz vorträgt, diesem Nachlass seien Erträge aus den Grundstücken, Bankguthaben und Zinsen in Höhe von insgesamt 366828,03 DM hinzuzurechnen, handelt es sich um neues Vorbringen, das in den Tatsacheninstanzen des Verfahrens zwischen den hier bet. Parteien noch nicht vorgetragen worden ist; damit ist die Kl. in der Revision ausgeschlossen (§ 559 I ZPO). Sie hatte in erster Instanz hier nur vorgetragen, zwar gehe es im Vertrag vom 12. 1. 1990 lediglich um Grundvermögen, es sei aber unklar, ob die im Vertrag vom 17. 10. 1989 vorgesehenen Abfindungen der ausgeschiedenen Miterbinnen nicht aus dem seinerzeit vorhandenen weiteren Vermögen bedient worden seien, solange der Bekl. deren Finanzierung nicht offen lege. Der Bekl. hat in zweiter Instanz auf Anforderung des Gerichts am 8. 1. 2003 Finanzierungsunterlagen (u.a. Darlehensvertrag/Überweisungen) vorgelegt. Das hat die Kl. nicht zum Anlass genommen, ihr Vorbringen aus erster Instanz zu konkretisieren. Es wäre aber Sache der Kl. gewesen, für ihren Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen der Erbteilsübertragung der Mutter vom 12. 1. 1990 näher vorzutragen, ob sich die gemischte Schenkung außer auf Grundvermögen etwa noch auf weitere Vermögenswerte bezogen habe und von welchem Wert insoweit auszugehen sei. Im Übrigen hat der Bekl. bereits in erster Instanz vorgetragen, soweit der Erbengemeinschaft Barvermögen etwa aus den Erträgen der Grundstücke zugestanden habe, sei dies bei der Mutter der Parteien verblieben, also nicht Gegenstand des Erbteilsübertragungsvertrags vom 12. 1. 1990 geworden. Auch dem ist die Kl. nicht entgegen getreten.


b) Der Wert des durch den Vertrag vom 12. 1. 1990 auf den Bekl. übergegangenen Grundvermögens betrug 1990 unstreitig 2515000 DM. Dabei ist jedoch die Grundschuld in Höhe von 500000 DM nicht berücksichtigt, die gem. § 11 des Teilerbauseinandersetzungsvertrags vom 17. 10. 1989 zur Finanzierung der Barabfindungen der seinerzeit ausgeschiedenen Miterbinnen zu Lasten des in der ungeteilten Erbengemeinschaft verbliebenen Grundvermögens bestellt worden ist.


Nach Ansicht der Revision kann diese Grundschuld nicht vom Wert des Restnachlasses abgezogen werden, weil sie eine Darlehensschuld des Bekl. persönlich gesichert habe. Hierfür bezieht sich die Revision auf § 4 II des Erbteilsübertragungsvertrags vom 12. 1. 1990, wonach der Bekl. seine Mutter und seine Schwester im Zusammenhang mit deren Übertragung ihrer Erbanteile auf den Bekl. freigestellt hat von einem etwaigen Schuldendienst hinsichtlich der in Rede stehenden Grundschuld über 500000 DM.


Nach dem vom BerGer. in Bezug genommenen landgerichtlichen Urteil war es zwar der Bekl., der die von der Grundschuld über 500000 DM gesicherten Darlehen aufnahm, der Kredit diente aber – wie auch aus § 11 des Vertrags vom 17. 10. 1989 hervorgeht – der Abfindung der am 17. 10. 1989 aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedenen Miterbinnen. Schuldner dieser Abfindung war die aus den drei verbleibenden Miterben bestehende Erbengemeinschaft, der dafür entsprechend mehr vom Grundvermögen des Vaters verblieb. Die Höhe der Abfindungszahlungen war in § 6 des Vertrags vom 17. 10. 1989 für jede der drei ausscheidenden Miterbinnen auf je 274809,70 DM vereinbart worden. Dieser Betrag sollte teilweise – für jede ausscheidende Miterbin in unterschiedlicher Höhe – durch Anrechnung bereits empfangener Beträge oder Leistungen und im Übrigen durch Barzahlung getilgt werden. Nach § 8 des Teilerbauseinandersetzungsvertrags vom 17. 10. 1989 sollten die drei ausscheidenden Miterbinnen bis 31. 10. 1989 weitere je 20000 DM erhalten. Die danach verbleibende Restschuld (nach dem Stand vom 17. 10. 1989 für alle drei ausscheidenden Miterbinnen zusammen noch 500584,99 DM) sollte gem. § 8 des Vertrags vom 17. 10. 1989 bis 15. 1. 1990 fällig und nach § 11 dieses Vertrags mit Hilfe einer Grundpfandrechtsbestellung bis zu einem Betrag von 500000 DM finanziert werden. Diese Art der Tilgung war unabhängig davon vorgesehen, dass in § 5 des Vertrags vom 17. 10. 1989 Barvermögen des Nachlasses erfaßt war wie Spargelder und Einnahmen aus dem Grundbesitz (Mieteinkünfte und Erbbauzinsen). Von der durch Finanzierung zu tilgenden Abfindungsschuld hat der Bekl. die beiden Miterbinnen, die ihre Erbteile im Vertrag vom 12. 1. 1990 auf ihn übertragen haben, im dortigen § 4 II freigestellt. Diese Formulierung bestätigt also, dass es sich um eine Schuld aller drei am 17. 10. 1989 in der Erbengemeinschaft verbliebenen Miterben handelte und nicht etwa um eine Schuld allein des Bekl. persönlich. Dass nur der Bekl. ein Darlehen aufgenommen hat, ändert nichts daran, dass die Schuld, die getilgt werden sollte, und auch die Grundschuld, die den Kredit sicherte, den Wert des der Erbengemeinschaft vor Abschluss des Erbteilsübertragungsvertrags vom 12. 1. 1990 zustehenden Restnachlasses nach dem Vater minderten.


Damit ist die Grundschuld in Höhe von 500000 DM vom Wert des Nachlasses, auf den sich der Erbteilsübertragungsvertrag vom 12. 1. 1990 bezog, abzuziehen. Der durch Anwachsung erhöhte Erbanteil der Mutter von 5/7, den sie im Wege einer gemischten Schenkung auf den Bekl. übertragen hat, bezog sich mithin nur noch auf einen Nachlass im Wert von 2015000 DM, ist also mit einem Betrag von 1439285,70 DM anzusetzen.


c) Davon sind unstreitig Gegenleistungen des Bekl. zu Gunsten seiner Mutter im Wert von 95137,20 DM und 18400 DM abzuziehen. Der verbleibende Betrag ist inflationsbereinigt von 1990 auf den Zeitpunkt des Erbfalls im Jahre 1998 umzurechnen. Auf der Grundlage der vom LG herangezogenen unstreitigen Ansätze zum jeweils maßgeblichen Lebenshaltungskostenindex ergeben sich als Wert der Schenkung zu Gunsten des Bekl. 1611603,30 DM.

Hinzu kommt ein von der Mutter tatsächlich hinterlassener Nachlass im Wert von unstreitig 321362 DM. Von der Summe beider Beträge (1932965,30 DM) hat die Kl. einen Pflichtteil von 1/10 zu beanspruchen, das heißt 193296,53 DM.

Davon abzusetzen ist gem. § 2326 S. 2 BGB der Nachlass der Mutter, soweit er der Kl. hinterlassen ist (64272 DM). Ferner sind unstreitig Zahlungen an die Kl. in Höhe von insgesamt 90772,69 DM zu berücksichtigen. Daraus folgt ein restlicher Anspruch der Kl. in Höhe von 38251,84 DM. Insoweit waren die Urteile der Vorinstanzen zu ändern. Hinsichtlich der Zinsen wird das Berufungsurteil nicht angegriffen.

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