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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
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– Erbrecht
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– Steuerstrafrecht

Ein an die „X-Erbengemeinschaft“ adressierter Steuerbescheid kann ausreichend bestimmt sein

Ein an die „X-Erbengemeinschaft“ adressierter Steuerbescheid ist dann ausreichend bestimmt, wenn in dem Steuerbescheid auf einen Betriebsprüfungsbericht verwiesen wird, in welchem die „X-Erbengemeinschaft“ benannt wird und dort die Mitglieder einzeln aufgeführt sind.

BFH, Urteil vom 17. 11. 2005 – III R 8/03

AO 1977 §§ 155 III, 157 I; EStG §§ 4 I 2, 26, 26b

Vorinstanz: FG München

Zum Sachverhalt:


Der am 9. 11. 1993 verstorbene W war zu 75% (150000 DM) und dessen Ehefrau, die Kl. und Revisionskl. zu 1 (Kl. zu 1), zu 25% (50000 DM) an dem 200000 DM betragenden Stammkapital der … GmbH beteiligt. W war Eigentümer des Betriebsgrundstücks und von weiterem von der GmbH genutztem Anlagevermögen. Unter den Bet. ist unstreitig, dass zwischen W und der GmbH eine Betriebsaufspaltung bestand. Die W gehörenden GmbH-Anteile und das der GmbH überlassene Anlagevermögen befanden sich daher im Betriebsvermögen von W. Die Pachteinnahmen stellten Einnahmen aus Gewerbebetrieb dar. Mit Vertrag vom 7. 3. 1991 wurde das voll eingezahlte Stammkapital der GmbH um 70000 DM auf 270000 DM erhöht. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 26. 3. 1991. Zur Übernahme der neuen Stammeinlage zum Nennwert wurde der Sohn von W, der Kl. zu 2 zugelassen. Die Stammeinlage hat der Kl. zu 2 aus eigenen Mitteln erbracht. Bestehende stille Reserven wurden nicht bezahlt. Im Anschluss an die Kapitalerhöhung bestanden folgende Beteiligungsverhältnisse:

W

55,55% (150000 DM)

Kl. zu 1

18,52% (70000 DM)

Kl. zu 2

25,93% (70000 DM)


An dem Besitzunternehmen war der Kl. zu 2 zunächst nicht beteiligt. Nach der mit Verträgen vom 2. 2. 1994 durchgeführten Auseinandersetzung der Erben nach W (die Kl. zu 1 zu 50% sowie der Kl. zu 2 und der Kl. 3., der weitere Sohn von W, zu je 25%) übernahm der Kl. zu 2 das von W an die GmbH verpachtete Grundstück einschließlich Zubehör und darauf befindlicher Gegenstände sowie dessen Anteile am Stammkapital der GmbH in Höhe von 92000 DM. Der Kl. zu 2 verfügte danach über insgesamt 60% der Anteile (70000 DM + 92000 DM = 162000 DM von 270000 DM). Die Übergabe wurde auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen.

Der Bekl. (das Finanzamt) veranlagte am 5. 2. 1993 W und die Kl. zu 1 für das Streitjahr 1991 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Zulassung des Kl. zu 2 zur Kapitalerhöhung zum Nennwert wurde nicht als Entnahme behandelt.

Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahre 1996 beim Besitzeinzelunternehmen des W vertrat der Prüfer die Auffassung, dem Kl. zu 2 sei es im Zuge der Kapitalerhöhung ermöglicht worden, Anteile an einer aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Kapitalgesellschaft gegen Leistung einer Einlage, die niedriger als der Wert der Anteile gewesen sei, zu erwerben. In Höhe der stillen Reserven, die aus dem Betriebsvermögen von W auf den Kl. zu 2 übergegangen seien, liege ein 1991 bei W zu erfassender steuerpflichtiger Entnahmegewinn. Die Bet. erzielten Einvernehmen dahin, dass die von W auf den Kl. zu 2 übergegangenen stillen Reserven 154044 DM betrugen (396% von 19,45% von 200000 DM).

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erhöhte die Einkünfte des W aus Gewerbebetrieb um 154044 DM. Der entsprechende Änderungsbescheid vom 17. 4. 1997 war adressiert: „Steuerberater … als Empfangsbevollmächtigter für Herrn W und Frau …”. Unter dem 17. 9. 1991 gab das Finanzamt den angefochtenen Bescheid unter folgender Adressierung bekannt: „Steuerbüro … als Empfangsbevollmächtigter für die Gesamtrechtsnachfolger, Erbengemeinschaft W, für den verstorbenen Herrn W …”. Der Bescheid verwies in den Erläuterungen ebenso wie der Bescheid vom 17. 4. 1997 auf den Prüfungsbericht vom 17. 6. 1996. Dort ist unter „A. Noch allgemeine Angaben”, Tz. 7, ausgeführt, mit dem Tod des W sei der Nachlass unentgeltlich „im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft W (Frau … 50%, Herr … 25%, Herr … 25%)” übergegangen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG wies die Klage ab (EFG 2003, 708). Die Revision der Kl. war unbegründet.

Aus den Gründen:


Das FG hat zutreffend die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids sowie einen steuerpflichtigen Entnahmegewinn des W bejaht.

1. Ein Steuerbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 I AO 1977). Dazu muss er angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 I 2 AO 1977). Lässt ein Bescheid den Schuldner nicht erkennen oder bezeichnet er ihn so ungenau, dass Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden und ist unwirksam (BFH/NV 1995, 862).

a) Bei einem Einkommensteuerbescheid, mit dem Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, handelt es sich inhaltlich und verfahrensrechtlich um zwei selbstständige Bescheide, die nach § 155 III 1 AO 1977 in einem Bescheid zusammengefasst sind. Ein zusammengefasster Bescheid kann auch noch nach dem Tod eines Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten erlassen werden.

Ist der Ehemann verstorben, richtet sich der zusammengefasste Bescheid zum einen an die Ehefrau (hier Kl. zu 1) als Gesamtschuldnerin und zum anderen an die Erben des Verstorbenen (hier die Kl. zu 1 sowie die Kl. zu 2 und 3). Jeder der zusammengefassten Bescheide kann für sich beurteilt werden (BFHE 146, 358 = BStBl II 1986, 545 = NVwZ 1987, 926 und BFH/NV 1992, 793). Gegenstand dieses Rechtstreits ist nur der Bescheid gegen die Erben des verstorbenen W. Die Wirksamkeit dieses Bescheids wird nicht dadurch berührt, dass er nicht zugleich auch an die Kl. zu 1 als Ehefrau adressiert ist (vgl. auch BFH/NV 2000, 678).

b) Der an die Gesamtrechtsnachfolger nach W gerichtete Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt.

Ein Einkommensteuerbescheid, der sich an die Erben richtet, ist diesen gegenüber nur wirksam, wenn sie namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheids ergibt, um wen es sich bei den Erben handelt (BFHE 188, 27 = BStBl II 1999, 638 = NZG 1999, 737).

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH müssen die Steuerschuldner nicht mehr zwingend aus dem Bescheid selbst oder dem Bescheid beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein (so z.B. noch, BFHE 128 14 = BStBl II 1979, 718; BFHE 139, 291 = BStBl II 1984, 63; BFH/NV 1986, 185, und BFH/NV 1992, 73). Entscheidend ist vielmehr, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFHE 162, 4 = BStBl II 1991, 120; BFH/NV 2000, 170; BFH/NV 2001, 409, und BFH/NV 2000, 678; vgl. auch BFH, BFH/NV 2005, 1365). Eine Bezugnahme auf einen den Betroffenen bekannten Betriebsprüfungsbericht kann daher ausreichen.

Im Streitfall ist der Bescheid, der die Einkommensteuer des verstorbenen W betrifft, zutreffend nicht an die Erbengemeinschaft W, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer sein kann, adressiert, sondern an die Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen W. Die Gesamtrechtsnachfolger sind näher bestimmt durch den Zusatz „Erbengemeinschaft W”. Wer namentlich zur Erbengemeinschaft W gehört, lässt sich zwar dem Einkommensteuerbescheid selbst nicht entnehmen. Jedoch wird in den Erläuterungen des Bescheids auf den Betriebsprüfungsbericht verwiesen, in dem die Bet. an der Erbengemeinschaft W, die Kl. zu 1 sowie die Kl. zu 2 und 3 aufgeführt sind. Für die Betr. konnte kein Zweifel bestehen, an wen sich der Bescheid richtete.

2. In Höhe der Differenz zwischen dem Wert des vom Kl. zu 2 übernommenen Anteils an der GmbH und der geleisteten Einlage liegt eine Entnahme des W, die zur Versteuerung der auf den Kl. zu 2 übergegangenen stillen Reserven durch W führt.

a) Das FG bezieht sich zutreffend auf das Urteil des BFH (BFHE 164, 513 = BStBl II 1991, 832). Danach liegt eine Entnahme in Höhe der Differenz zwischen dem Wert des übernommenen Anteils und der geleisteten Einlage vor, wenn bei einer Betriebsaufspaltung ein Gesellschafter des Besitzunternehmens es einem Angehörigen ermöglicht, einen Teil des zu seinem Sonderbetriebsvermögen beim Besitzunternehmen gehörenden Anteils an der Betriebs-GmbH gegen Leistung einer Einlage zu übernehmen, die niedriger ist als der Wert des übernommenen Anteils.

Die Beteiligung des W in Höhe von 75% (150000 DM) am Stammkapital von 200000 DM befand sich im Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens des W. Nach Durchführung der Kapitalerhöhung verfügte W nur noch über 55,55% des Stammkapitals von 270000 DM (150000 DM von 270000 DM). Mit der Übernahme der Stammeinlage von 70000 DM durch den Kl. zu 2 hat sich die Beteiligung des W um 19,45% und die der Kl. zu 1 um 6,48% vermindert. Die in den Geschäftsanteilen ruhenden stillen Reserven sind mit der Übernahme der Stammeinlage durch den Kl. zu 2 anteilig von den Stammanteilen der bisherigen Gesellschafter der GmbH (W und die Kl. zu 1) abgespalten worden und auf den Kl. zu 2 übergegangen. Darin liegt zugleich eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen des W bei dessen Besitzeinzelunternehmen. Denn die stillen Reserven in Höhe eines Anteils von 19,45% gehörten zu den Anteilsrechten des W an der GmbH, die sich im Betriebsvermögen befanden. Dabei ist es unerheblich, ob man die von den alten GmbH-Anteilen durch die Kapitalerhöhung abgespaltenen und auf Grund der Übernahmen durch den Kl. zu 2 entnommenen Vermögenswerte als Bezugsrecht oder als Anwartschaftsrecht auf Teilnahme an einer Kapitalerhöhung ansieht (BFHE 164, 513 = BStBl II 1991, 832). Über die Höhe des Entnahmewerts besteht unter den Bet. kein Streit.

b) Der Senat teilt auch die Auffassung des FG, dass die Besteuerung der stillen Reserven nicht deshalb unterbleiben konnte, weil der Kl. zu 2 eine wesentliche Beteiligung an der GmbH hielt und weil der übernommene Anteil im Zuge der Erbauseinandersetzung vom 2. 2. 1994 wieder Betriebsvermögen im Rahmen der Betriebsaufspaltung zwischen dem Besitzeinzelunternehmen des Kl. zu 2 und der GmbH geworden ist.

Das FG führt zu Recht aus, dass die Besteuerung keineswegs gesichert war. Zum einen hätte der Kl. zu 2 durch Veräußerung eines nur geringen Anteils die Wesentlichkeitsgrenze von seinerzeit 25% (§ 17 I 4 EStG in der bis 31. 12. 1998 geltenden Fassung) unterschreiten können. Zum anderen stand die Einbringung des Geschäftsanteils in ein Betriebsvermögen seinerzeit nicht fest. Dass der GmbH-Anteil später auf Grund der Erbauseinandersetzung und Übernahme des Besitzeinzelunternehmens durch den Kl. zu 2 wieder zu Betriebsvermögen geworden ist, steht der Versteuerung der stillen Reserven nicht entgegen. Die im Streitjahr vollzogene Entnahme konnte dadurch nicht rückgängig gemacht werden. Deshalb trifft der Hinweis der Kl. auf das BFH-Urteil vom 8. 4. 1992 (BFHE 167, 424 = BStBl II 1992, 761) nicht zu. Denn anders als im Fall des angegebenen Urteils war im Streitfall die Versteuerung der stillen Reserven nach Durchführung der Kapitalerhöhung nicht gesichert.