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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Ein Zuwendungsverzicht kann durch notariellen Vertrag wieder aufgehoben werden

Ein Zuwendungsverzicht kann, wenn der Erblasser den vorherigen Zustand nicht durch neue Verfügung von Todes wegen wiederherstellen kann, durch notariellen Vertrag zurückgenommen werden.

BGH, Urteil vom 20. 2. 2008 – IV ZR 32/06

BGB §§ 2352, 2351

Sachverhalt:


Die Parteien streiten über die Erbfolge nach der 1998 verstorbenen Großmutter des Kl. (Erblasserin – E). Sie war – ebenso wie ihr 1980 vorverstorbener Ehemann (M) – amerikanische Staatsangehörige, lebte aber seit 1947 in Deutschland. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Geschäfts- und Bürohaus sowie Kontenguthaben. Der Kl., seine 2001 verstorbene Mutter (die Tochter von E und M – T) und seine beiden Brüder, die Bekl. zu 1a und 1b, sind ebenfalls amerikanische Staatsangehörige. Der Bekl. zu 2 ist mit Beschränkung auf das Haus zum Testamentsvollstrecker ernannt.


1979 errichteten E und M vor dem als Notar ansässigen Bekl. zu 2 ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten, dass T alleinige Erbin des zuletzt Versterbenden sein sollte. Nach deren Tod sollte der dann noch vorhandene


Nachlass auf den 1960 geborenen Kl. übergehen, ersatzweise an dessen Abkömmlinge, weiter ersatzweise an dessen 1962 und 1968 geborene jüngere Brüder, die Bekl. zu 1a und 1b. Diese Regelung sollte im Fall eines Vorversterbens der T entsprechend gelten. Der Kl. wurde im Wege eines Vermächtnisses verpflichtet, seinen Brüdern einen monatlichen Betrag aus den Erträgen des Hauses zu zahlen.


T verzichtete 1994 mit notarieller Urkunde auf die Zuwendung aus dem Testament von 1979 sowie auf ihre gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche am Nachlass ihrer Eltern. E nahm diesen Verzicht an; der Kl. stimmte ihm zu und verpflichtete sich, nach dem Tod der E an T eine lebenslange monatliche Rente von 20 000 DM zu zahlen, die auf dem Hausgrundstück grundbuchlich abzusichern war. E ließ sich zu diesem Vertrag durch den Hinweis der T sowie des Kl. bewegen, der damalige Ehemann der T dürfe im Fall einer Scheidung keinen Zugriff auf das Haus erhalten. 1995 erklärten E und T ohne Mitwirkung oder Wissen des Kl. zu notariellem Protokoll des Bekl. zu 2 die Aufhebung des Verzichtsvertrags von 1994 mit der Maßgabe, dass die Erbfolge nach dem Testament von 1979 wiederhergestellt werde.


Spätestens ab der zweiten Hälfte des Jahres 1995 wurde E über verschiedene familiäre Streitigkeiten unterrichtet. Daraufhin erklärte E 1996 zu Protokoll eines anderen Notars die Anfechtung des Testaments von 1979, soweit der Kl. oder seine Abkömmlinge darin als Erben oder Ersatzerben berufen sind. In der Urkunde heißt es, bei der Erbeinsetzung des Kl. seien E und M „von der Erwartung seiner bis dahin einwandfreien Lebensführung” ausgegangen, die sich nicht erfüllt habe. Der Kl. habe T übervorteilt und dadurch deren wirtschaftliche Existenz ruiniert. Gewissheit habe E darüber erst im März 1996 aus ihr vorgelegten Schriftstücken erlangt. Außerdem habe der Kl. auch seine Brüder in eine bedrohliche finanzielle Lage gebracht, weil er sie zu hohen Darlehen veranlasst habe und deren Rückzahlung verweigere. Der Kl. habe das seit jeher bestehende enge persönliche Verhältnis zu E vor etwa einem halben Jahr beendet, ohne dass sie ihm einen Grund dafür gegeben habe. Insgesamt sei das harmonische Leben der Familie durch das Verhalten des Kl. zerstört worden. M hätte die Erbeinsetzung ebenso wie E bei Kenntnis dieser Sachlage nicht vorgenommen.


Auf einen Hilfsantrag des Kl. hat das LG festgestellt, dass er nach dem Tod der Vorerbin, seiner Mutter (T), alleiniger Nacherbe geworden sei. Den weitergehenden Antrag des Kl. auf Feststellung, dass er bereits mit dem Erbfall Alleinerbe geworden sei, hat das LG abgewiesen. Das BerGer. hat diese Entscheidung auch gegenüber dem Bekl. zu 2 bestätigt und die weitergehenden Berufungsanträge aller Parteien zurückgewiesen (OLG Celle v. 29. 12. 2005, 6 U 16/05 u. 6 U 240/05).


Dagegen wenden sich der Kl. mit der Revision und die Bekl. mit ihren Anschlussrevisionen.

Gründe:


Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.


A.I. Was zunächst die Erbfolge angeht, ist nicht streitig, dass sie sich aufgrund Rückverweisung für zum Nachlass gehörende Mobilien auf das Wohnsitzrecht und für Immobilien auf das Belegenheitsrecht insgesamt nach deutschem Recht beurteilt (vgl. Odersky, ZEV 2000, 492).


Nach Ansicht des BerGer. ist der Kl. nicht aufgrund des Zuwendungsverzichtsvertrags von 1994 bereits mit dem Tod der E deren Vollerbe geworden.


Dieser Vertrag sei durch den Vertrag von 1995 wirksam wieder aufgehoben worden. Der Wortlaut des § 2352 BGB und die Gesetzessystematik sprächen nicht gegen eine analoge Anwendung von § 2351 BGB. Die Aufhebung des Zuwendungsverzichts bewirke hier, dass dieser so beseitigt werde, als wäre er nie vereinbart worden. E werde also nicht von ihren Bindungen aus dem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament frei. Dass der Kl. die durch den Zuwendungsverzicht für ihn begründete Aussicht, als Ersatzerbe der T Vollerbe nach dem zuletzt versterbenden Großelternteil zu werden, wieder verliere, stehe nicht entgegen. Diese Aussicht sei für E – anders als ein etwa nach dem Zuwendungsverzicht abgeschlossener Erbvertrag – nicht bindend gewesen.


II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision des Kl. greifen nicht durch.

Analoge Anwendung des § 2351 BGB auf den Zuwendungs- verzicht


1. Nach ganz h. M. kann der Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) grundsätzlich ebenso wie der Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht (§ 2346 BGB) durch Vertrag mit dem Erblasser wieder aufgehoben werden (vgl. etwa LG Kempten, MittBayNot 1978, 63, 64; Staudinger/Schotten, BGB, 2004, § 2352 Rn. 54; Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2352 Rn. 2; J. Mayer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 2352 Rn. 27; Strobel, in: MüKo-BGB, 4. Aufl., § 2352 Rn. 17; Beck/Ullrich, in: AnwK-BGB, § 2352 Rn. 20; Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 2352 Rn. 5; Lange/Kuchinke, ErbR, 5. Aufl., § 7 III.2.a, S. 180; im Erg. auch Mittenzwei, ZEV 2004, 488; a. A. Kipp/Coing, ErbR, 14. Aufl., § 82 V.2; Kornexl, Der Zuwendungsverzicht, 1998, Rn. 554 ff.).


Zwar verweist § 2352 Satz 3 BGB für den Zuwendungsverzicht lediglich auf die in §§ 2347 und 2348 BGB für den Erbverzicht geforderten persönlichen Anforderungen und Formvorschriften, nicht aber auf die in § 2351 BGB geregelte Aufhebung des Erbverzichts. Das steht jedenfalls einer analogen Anwendung des § 2351 BGB aber nicht entgegen, soweit die Interessenlage übereinstimmt. Anders als bei einem Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht kann der Erblasser bei einem Zuwendungsverzicht die Erbfolgeregelung, auf die der Begünstigte verzichtet hat, durch eine neue Verfügung von Todes wegen wieder herstellen, so dass insofern für eine Aufhebung des Zuwendungsverzichts keine Notwendigkeit besteht. Anders liegt es aber, wenn der Erblasser nicht wirksam neu verfügen kann, etwa weil er durch einen vor dem Zuwendungsverzicht geschlossenen Erbvertrag oder ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament gebunden ist. Jedenfalls in solchen Fällen kann § 2351 BGB entsprechend auf die Aufhebung eines Zuwendungsverzichts angewandt werden. Ob die Verweisung auf § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach der Aufhebungsvertrag bei Geschäftsunfähigkeit des Erblassers durch seinen gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des VormGer. geschlossen werden kann, auch auf die Aufhebung eines Zuwendungsverzichts trotz der insoweit bestehenden Bedenken im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Erblassers (§§ 2064, 2065 BGB) angewandt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.

Wechselbezügliche Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im Testament von 1979


2. Im vorliegenden Fall ist im gemeinschaftlichen Testament von 1979 nach dem Tod des letzten Großelternteils T als Vorerbin und der Kl. erst nach deren Tod als Nacherbe vorgesehen. Das BerGer. geht mit Recht davon aus, dass diese Bestimmungen wechselbezüglich und damit für die länger lebende E bindend sind (§§ 2270, 2271 BGB). Obwohl das Testament (anders als in BGH v. 16. 1. 2002, IV ZB 20/01, BGHZ 149, 363, 366, ZEV 2002, 150 m. Anm. Otte) keine Wiederverheiratungsklausel enthält, liegt nahe, dass M die E nur deshalb zu seiner Alleinerbin eingesetzt hat, weil auch sie die gemeinsame Tochter und den ältesten Enkel als Vor- und Nacherben für den Fall bestimmt hat, dass sie als letzte starb. Auch wenn die Begriffe Vor- und Nacherbe im Testament nicht verwendet werden, sprechen die Beschränkung der T durch die Anordnung, dass der bei ihrem Tode noch vorhandene Nachlass der Großeltern auf den Enkel übergehen solle, sowie die Bevorzugung des Kl. als des alleinigen (Nach-)Erben gegenüber seinen Brüdern dafür, dass die Großeltern die Schlusserbfolge gemeinsam erwogen und in allen Einzelheiten festgelegt haben; dass dem überlebenden Großelternteil hätte freistehen sollen, insoweit Änderungen zu verfügen, ist dem Testament nicht zu entnehmen. Sie ergeben sich nicht etwa daraus, dass im Testament zwar ein Veräußerungsverbot bzgl. des Grundstücks während der Dauer der Testamentsvollstreckung angeordnet worden ist, der überlebende Ehegatte an einer Veräußerung aber nicht gehindert war.


Das ändert an der bindenden Wirkung der den Nachlass des letztversterbenden Großelternteils betreffenden Anordnungen jedoch nichts. Es entspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass der Erstversterbende dem überlebenden Ehegatten ganz allgemein das Recht einräumen wolle, die zugunsten von Angehörigen der übernächsten Generation getroffenen Anordnungen für den Fall einer Verschlechterung der persönlichen Beziehungen zu ändern. Davon kann insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden nicht ausgegangen werden, in denen nicht nur persönliche, sondern auch wirtschaftliche und unternehmerische Überlegungen eine Rolle für die Nachfolgeregelung gespielt haben. Im Übrigen greift hier die Regel des § 2270 Abs. 2 BGB ein.

Unterschiedliche Folgen bei erneuter testamentarischer Erbfolgeregelung durch E gegenüber gemeinschaftlichem Testament


3. Wie das BerGer. mit Recht annimmt, hätte E trotz des Zuwendungsverzichts die im gemeinschaftlichen Testament von 1979 vorgesehene Schlusserbfolge zwar inhaltsgleich erneut anordnen können; eine solche einseitige, wiederholende Verfügung hätte aber nicht an der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments teilgenommen, sondern jederzeit von E widerrufen werden können. Das berechtigte Interesse, das beim Erbverzicht an Aufhebung nach § 2351 BGB besteht, nämlich die vor dem Verzicht bestehende Rechtslage wiederherzustellen, ist mithin hier auch für die Aufhebung des Zuwendungsverzichts gegeben.

Wiederaufleben der ursprünglichen Schlusserbfolge durch Aufhebung des Zuwendungsverzichts


4. Wie das BerGer. weiter zutreffend erkannt hat, ist durch den Aufhebungsvertrag von 1995 die im gemeinschaftlichen Testament von 1979 vorgesehene Schlusserbfolge wieder gültig geworden. Diese Rechtsfolge tritt jedenfalls vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags an ein. Ob eine der ursprünglichen Zuwendung entgegenstehende erbrechtliche Bindung, die ein Erblasser in der Zeit zwischen dem Zuwendungsverzicht und seiner Aufhebung eingegangen ist, hinfällig würde, die Aufhebung also ex tunc wirken würde, ist zweifelhaft (dagegen Staudinger/Schotten, a. a. O.; J. Mayer, a. a. O., Fn. 54; Kornexl, a. a. O., Rn. 563 ff.; Mittenzwei, ZEV 2004, 491 f.; a. A. LG Kempten, a. a. O.). Die Frage bedarf hier aber keiner Entscheidung, weil E eine anderweite, vom gemeinschaftlichen Testament abweichende Verfügung nicht getroffen hat.

Keine neue, zusätzliche Bindung der E gegenüber dem Kl. durch Aufhebung des Zuwendungsverzichts


a) Dass der Zuwendungsverzicht der T ein „Nachrücken” des Kl. in der im Testament von 1979 angeordneten Erbfolge bewirkte, ließ keine neue, zusätzliche Bindung der E in dem Sinne entstehen, dass sie davon etwa nicht durch Aufhebung des Zuwendungsverzichts wieder hätte abweichen können (anders Kornexl, a. a. O., Rn. 563, 565). Vielmehr wurde die testamentarische Regelung als solche nicht dadurch verändert, dass T auf die ihr darin zugedachte Begünstigung verzichtet hat. Wäre dieser Verzicht bestehen geblieben, wäre zugunsten des Kl. die Ersatzerbfolge zum Zuge gekommen, die im Testament ausdrücklich für den Fall des Vorversterbens der T vorgesehen war (vgl. §§ 2102, 2096 BGB). Die Aufhebung des Zuwendungsverzichts hat keine andere Wirkung als der Umstand, dass T den Erbfall erlebte. Folglich bedurfte es keines Zuwendungsverzichts des Kl., um die ursprünglich im Testament vorgesehene Vor- und Nacherbfolge wirksam werden zu lassen.

Keine erbvertragliche Begünstigung des Kl.


b) Der Kl. hat durch den Vertrag von 1994 auch keine die E bindende neue Rechtsposition erlangt. Er hat sich mit dem Zuwendungsverzicht der T zwar einverstanden erklärt und ihn angenommen. Das wird im Hinblick auf die Abfindung verständlich, die er T für die Zeit nach dem Tod der E im Vertrag von 1994 versprochen hat. Für den Zuwendungsverzicht selbst (§ 2352 BGB) war seine Zustimmung dagegen ohne Bedeutung. Sie lässt sich auch nicht etwa als erbvertragliche Begünstigung des Kl. auslegen. Denn in dem der Zustimmung des Kl. unmittelbar vorangehenden Vertragstext ist festgehalten, der Verzicht der T habe „die Wirkung”, dass der Kl., der bisher im gemeinschaftlichen Testament von 1979 als Schlussnacherbe eingesetzt war, nunmehr testamentarischer Alleinerbe der E werde. Damit ist die erbrechtliche Rechtsstellung, die der Kl. aufgrund des Verzichtsvertrags zu erwarten hatte, nicht etwa als Inhalt der getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, sondern ausdrücklich als Wirkung des Verzichts beschrieben. Das genügte, um den Zweck des Vertrags zu erreichen, nämlich einen Zugriff des zweiten Ehemannes der T auf den Nachlass der Großeltern zu verhindern.


c) Ob dem Kl. im Hinblick auf die von ihm eingegangene Verpflichtung zu einer Abfindung der T Schadensersatzansprüche zustehen, kann offen bleiben. Der Kl. macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass er nach dem Tod der E Abfindungszahlungen an T geleistet hätte oder ihm sonst ein zu ersetzender Schaden entstanden sein könnte. Deshalb handeln die Bekl. zu 1a und 1b auch nicht treuwidrig, wenn sie sich als Erben der T auf die Aufhebung des Zuwendungsverzichts berufen.


Damit erweist sich die Revision des Kl. als unbegründet.

Keine wirksame Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments durch die Bekl. wegen Motivirrtums


B.I. Das BerGer. hält die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments von 1979 nicht für wirksam.


Ein Anfechtungsgrund (§ 2078 Abs. 2 BGB) sei nicht hinreichend dargelegt. Es könne nicht festgestellt werden, welche näheren Vorstellungen die Großeltern bei Testamentserrichtung mit der in der Anfechtungserklärung der E erwähnten Erwartung einer einwandfreien Lebensführung des Kl. verbunden hätten. E habe die Millionenforderungen Dritter gegen T schon seit 1991 gekannt, die Erbaussichten des Kl. aber gleichwohl durch Abschluss des Zuwendungsverzichtsvertrags von 1994 verbessert. Im Übrigen behaupteten die Bekl. zu 1a und 1b auch keine finanzielle Schädigung der T durch den Kl. Was den Kontaktabbruch des Kl. gegenüber E betreffe, sei nicht mit der für eine Überzeugung erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die unveränderte Fortdauer des bei Testamentserrichtung bestehenden guten Verhältnisses der maßgebliche Beweggrund für die Erbeinsetzung des Kl. gewesen sei. Nähere Einzelheiten zur Häufigkeit und Ausgestaltung der Kontakte vor und nach der Testamentserrichtung seien nicht vorgetragen. Zwar sei davon auszugehen, dass der Kl. bei Testamentserrichtung der Lieblingsenkel der Großeltern gewesen sei. Das müsse indessen nicht das einzige und für seine Bevorzugung gegenüber seinen Brüdern entscheidende Motiv gewesen sein. Daneben kämen als Motive in Betracht, dass er der älteste Enkel war, nach dem Tod des ersten Ehemannes der T die Führung der finanziellen Belange und Geschäfte der Familie übernommen hatte und durch seine Einsetzung als alleiniger Nacherbe das Vermögen in einer Hand zusammengehalten werden konnte. Selbst wenn die Großeltern bei Testamentserrichtung die spätere Entwicklung bis hin zum Abbruch des Kontakts zwischen dem Kl. und E vorausgesehen hätten, sei fraglich, ob dies der Einsetzung des Kl. als Nacherbe entgegengestanden hätte. Denn die Großeltern hätten ersichtlich keine Vollerbschaft der T gewollt; neben dem Kl. seien daher nur noch seine Brüder in Betracht gekommen, für die bei Testamentserrichtung aber erst recht nicht vorauszusehen gewesen sei, wie sich deren Beziehungen zum überlebenden Großelternteil künftig einmal entwickeln würden.


II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Anschlussrevisionen der Bekl. greifen nicht durch.


1. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein zur Anfechtung berechtigender Motivirrtum in der enttäuschten Erwartung des Erblassers liegen, seine persönlichen Beziehungen zum Bedachten würden sich harmonisch, jedenfalls frei von tief greifenden Störungen entwickeln. Diese Erwartung muss dem Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung nicht bewusst gewesen sein; es genügt, dass er sie als selbstverständlich vorausgesetzt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senat v. 27. 5. 1987, IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412 unter II.1;v. 16. 3. 1983, IVa ZR 216/81, WM 1983, 567 unter 2.d). Um die Anfechtung zu rechtfertigen, muss ein Motivirrtum aber nicht nur ursächlich für den letzten Willen gewesen sein, sondern für den Erblasser den letztlich entscheidenden, ihn bewegenden Grund darstellen. Dafür kommen nur besonders schwerwiegende Umstände in Betracht, die gerade diesen Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu testieren (Senat v. 27. 5. 1987, a. a. O., unter II.2.a). Soweit es um enttäuschte Erwartungen geht, kann deren Ursächlichkeit auch im Normalfall nicht aufgrund von Erfahrungssätzen festgestellt werden; das wäre durch die Lebenserfahrung nicht gedeckt und würde die Bindungswirkung eines Testaments praktisch weitgehend aufheben. Vielmehr muss der dem Anfechtenden obliegende Beweis der Ursächlichkeit durch die besonderen Umstände des Einzelfalls geführt werden (BGH v. 31. 10. 1962, V ZR 129/62, NJW 1963, 246 unter 6.).


2. Die Anschlussrevisionen machen geltend, der Kl. bestreite nicht, dass er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung der Lieblingsenkel seiner Großeltern gewesen sei.


Das BerGer. sei verfahrensfehlerhaft den Beweisantritten für die Behauptung der Bekl. nicht nachgegangen, dass die Erbeinsetzung des Kl. auf dieser Stellung als Lieblingsenkel der Großeltern beruht habe. Diese hätten dem das Testament beurkundenden Bekl. zu 2 auf dessen Frage, warum sie den Kl. bevorzugen wollten, erklärt, das besonders enge und vertrauensvolle Verhältnis zum Kl. sei der Beweggrund für dessen Erbeinsetzung. Auch nahe Bekannte und Freunde der Großeltern könnten dies aufgrund von vertraulichen Gesprächen bekunden.


Auf die in das Wissen der Zeugen und des Bekl. zu 2 gestellten Behauptungen kam es indessen nicht entscheidend an. Das BerGer. konnte diese Behauptungen als wahr unterstellen, ohne dass seiner Würdigung dadurch die Grundlage entzogen wäre. Die behaupteten Äußerungen der Erblasser sind nur Indizien für ihren letzten Willen und insbesondere dafür, was für sie unter mehreren möglichen Motiven der letztlich entscheidende Beweggrund war. Auf diese Haupttatsachen hat der Tatrichter aus den vorgetragenen Indizien rechtsfehlerfrei nur mögliche, aber nicht zwingende Schlüsse ziehen können (vgl. BGH v. 10. 2. 1993, XII ZR 241/91, BGHZ 121, 266, 271, NJW 1993, 1391). Deshalb bedurfte es insoweit keiner Beweisaufnahme.


Das BerGer. hebt nämlich mit Recht hervor, dass den Großeltern im Zeitpunkt der Testamentserrichtung kaum eine andere Alternative als die Einsetzung des Kl. als alleinigem Nacherben blieb, wenn sie T nicht als unbeschränkte Alleinerbin einsetzen, das wesentliche Vermögen aber in einer Hand zusammenhalten wollten, weil die Entwicklung der Brüder des Kl. seinerzeit noch weniger vorauszusehen war als die des Kl. Im Hinblick auf den Umfang des Familienvermögens und die wirtschaftliche Bedeutung, die seiner Erhaltung für alle Beteiligten zukam, sind die Zweifel des BerGer. verständlich, ob die Fortdauer auch des bei Testamentserrichtung bestehenden guten persönlichen Verhältnisses des Kl. zu seinen Großeltern bis zum Tod des Längerlebenden nicht nur der Erwartung der Großeltern entsprach, sondern auch der eigentliche Beweggrund für seine Erbeinsetzung war. Soweit sie dem Bekl. zu 2 als Notar gesagt haben, der Beweggrund für die Bevorzugung des Kl. vor seinen Brüdern sei ihr besonders enges und vertrauensvolles Verhältnis zu ihm, ergibt sich daraus nicht, dass sie von einer Einsetzung des Kl. als alleinigem Nacherben abgesehen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass Zweifel an einem unveränderten Fortbestehen gerade dieser persönlichen Beziehung bis zu dem möglicherweise fernen Ableben des letzten Großelternteils nicht zuverlässig auszuschließen waren.

Mithin waren die Anschlussrevisionen zurückzuweisen.