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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA)

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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Bereicherung nach §10 ErbStG bei zu erwartendem Nacherbfall

Nimmt der Nacherbe Verwendungen auf ein Grundstück vor dem Nacherbfall vor, so sind diese bei der Bemessungsgrundlage des Nacherbfalles in Abzug zu bringen, da der Nacherbe insoweit nicht bereichert ist, da er diese Aufwendungen zuvor selbst geleistet hat.

BFH, Urteil vom 1. 7. 2008 – II R 38/07

ErbStG § 10 Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 951, 812 ff.

Sachverhalt:

I. Der (Revisions-)Kl. erwarb als Nacherbe seines 1987 verstorbenen Onkels (O) einen Hof. Vorerbin war die im Februar 2000 verstorbene Ehefrau (E) des O gewesen. Zum Hof gehörten u. a. ein Altenteilerhaus sowie ein weiteres Wohnhaus. Bereits ab dem Jahr 1991 hatte der Kl. die Eigenbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs übernommen und in der Zeit bis zum Tod der E sowohl am Altenteilerhaus als auch am Wohnhaus umfangreiche Baumaßnahmen, u. a. durch Schaffung von zwei später vermieteten Wohnungen, durchgeführt.

Das bekl. FA setzte gegen den Kl. Erbschaftsteuer fest, wobei er dem steuerpflichtigen Erwerb u. a. die vom Lagefinanzamt auf den Todestag der E festgestellten Grundbesitzwerte für das Altenteilerhaus (375 000 DM), für zwei Wohnungen im Obergeschoss des Wohnhauses (157 000 DM) und den Wohnteil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (161 460 DM) zugrunde legte. Dem Begehren des Kl., die von ihm zu Lebzeiten der E erbrachten Aufwendungen für die Baumaßnahmen als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen, folgte das FA nicht. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf v. 18. 10. 2006, 4 K 1915/05 Erb, DStRE 2008, 363). Dem Kl. habe gegen E im Zeitpunkt ihres Todes kein zivilrechtlicher Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch zugestanden, so dass der Abzug einer Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausscheide.

Gründe:

II. Die Revision des Kl. ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass dem Kl. bei zivilrechtlicher Betrachtung hinsichtlich der von ihm ausgeführten Baumaßnahmen kein Ersatzanspruch gegen E zustand. Im Umfang der durch diese Baumaßnahmen herbeigeführten Erhöhung der Grundbesitzwerte der nachlasszugehörigen Grundstücke fehlt es aber an einer Bereicherung des Kl.

Ausschluss der Einwendungen gegen die Feststellungsbescheide

1. Dem Kl. kann nicht darin gefolgt werden, den festgestellten Grundbesitzwerten käme insoweit keine Bindungswirkung zu, als sie durch die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen beeinflusst seien. Einwendungen gegen die Feststellungsbescheide sind im Festsetzungsverfahren ausgeschlossen (§ 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO).

Kein zivilrechtlicher Vergütungsanspruch gegen E

2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass dem Kl. in Anwendung allein zivilrechtlicher Grundsätze für die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen kein als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) abziehbarer Vergütungsanspruch gegen E zustand.

Kein vertraglicher Aufwendungsersatzanspruch

a) Der Kl. hatte aus den von ihm durchgeführten Baumaßnahmen keinen vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gegen E. Nach den für den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (…) hatte der Kl. mit E keine vertraglichen Vereinbarungen über die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen und auch keinen Landpachtvertrag (§ 585 BGB) geschlossen. Das FG ist lediglich im Rahmen einer Hilfserwägung auf die Möglichkeit eines Landpachtvertrages eingegangen. Schließlich hat das FG unter Hinweis auf die Urteile des BGH vom 10. 10. 1984, VIII ZR 152/83 (NJW 1985, 313) und vom 31. 10. 2001, XII ZR 292/99 (NJW 2002, 436) auch rechtsfehlerfrei einen Ersatzanspruch des Kl. aus Geschäftsführung ohne Auftrag abgelehnt, weil der Kl. nicht die Absicht gehabt habe, von E Ersatz zu verlangen.

Kein Vergütungsanspruch wegen erlittenem Rechtsverlust

b) Auch einen Vergütungsanspruch des Kl. gegen E gemäß § 951 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 812 ff. BGB hat das FG zutreffend verneint. Grundsätzlich kann, wer aufgrund der §§ 946 – 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet, nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Jedoch entsteht für denjenigen, der in der begründeten Erwartung künftigen Eigentumserwerbs auf einem fremden Grundstück Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen lässt, ein Vergütungsanspruch erst dann, wenn feststeht, dass der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt, bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (BGH v. 12. 7. 1989, VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, NJW 1989, 2745 m. w. N.; BFH v. 11. 12. 1996, X R 262/93, BFHE 182, 149, BStBl II 1998, 100, DStR 1997, 531; v. 7. 7. 2004, X R 30/03, BeckRS 2004, 25007234, BFH/NV 2005, 33, jew. m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen stand dem Kl. ein Vergütungsanspruch gegen E deshalb nicht zu, weil er mit dem Nacherbfall erwartungsgemäß Eigentümer der von ihm sanierten und ausgebauten Gebäude geworden ist.

Bereicherungsprinzip erfordert Berücksichtigung der Aufwendungen für die Baumaßnahmen

c) Das FG hat aber verkannt, dass das in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerte Bereicherungsprinzip die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten ausschließt, die der Nacherbe selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.

Maßstab für die Auslegung des § 10 ErbStG ist der Grundsatz, dass nur die als Nettobetrag ermittelte Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt (BFH v. 13. 7. 1983, II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37, NJW 1984, 384; v. 17. 3. 2004, II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429, DStR 2004, 722). Soweit der Nacherbe den Wert eines nachlasszugehörigen Grundstücks in Erwartung der Nacherbfolge durch Baumaßnahmen erhöht und hierfür zu Lebzeiten des Vorerben keinen Ersatz erlangt, bewirkt der Erbanfall wegen der erbschaftsteuerrechtlichen Anknüpfung an die Bereicherung keinen Vermögenszuwachs des Nacherben. Dem steht nicht entgegen, dass durch die Baumaßnahmen nach zivilrechtlichen Grundsätzen kein Vergütungs-, Ersatz- oder Bereicherungsanspruch gegenüber dem Vorerben begründet worden war. Die (zivilrechtliche) Nichtentstehung derartiger Ansprüche wird erbschaftsteuerrechtlich durch den Erbanfall kompensiert (ebenso im Erg. Moench/Weinmann, ErbStG, § 10 Rz. 47, sowie – für den Fall der schenkweisen Übertragung eines bebauten Grundstücks nach Errichtung eines Gebäudes durch den Beschenkten – H 17 Abs. 1 der Hinweise zu den ErbStR 2003).

Da das FG diese Grundsätze verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Herausrechnung des Wertzuwachses durch Vergleich der Bodenrichtwerte

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom Lagefinanzamt auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) festgestellten Grundbesitzwerte entsprechen insoweit nicht der steuerrechtlichen Bereicherung des Kl. i. S. von § 10 ErbStG, als in diese der Wertzuwachs aufgrund der vom Kl. durchgeführten Baumaßnahmen eingeflossen ist. Die festgestellten Grundbesitzwerte können demgemäß nicht ohne Korrektur dem steuerpflichtigen Erwerb zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist zum Ausgleich der vom Kl. bewirkten Werterhöhung durch das (Festsetzungs-)FA ein Abzug in dem Umfang vorzunehmen, wie die Baumaßnahmen den Grundbesitzwert beeinflusst haben. Dazu ist – ggf. mit Hilfe des Lagefinanzamts – formlos ein Grundbesitzwert zu ermitteln, bei dem die Baumaßnahmen hinweggedacht sind.

Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Steuerentstehung – Keine Verzinsung

Die Differenz zwischen den beiden Grundbesitzwerten ist auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 ErbStG) zu ermitteln. Daher ist weder Raum für den bereicherungsmindernden Ansatz eines Anspruchs des Kl. auf Verzinsung seines (fiktiven) Vergütungsanspruchs aus § 951 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 812 ff. BGB noch für den bereicherungsmindernden oder -erhöhenden Ansatz von (fiktiven) Nutzungsentschädigungsansprüchen des Kl. bzw. der E.


Freiburg, 13.01.2011

Rechtsanwalt Haberbosch