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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
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– Steuerstrafrecht

Grundstückswertermittlung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ermittlung des anzusetzenden Grundstückswertes bei einer Schenkung die hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruches berücksichtigt werden muss, unter Berücksichtigung eines eingeräumten Wohnrechtes.

BGH, Urteil vom 17-01-1996 – IV ZR 214/94

BGB § 2325 II

Zum Sachverhalt:

Die Kl. fordert Pflichtteilsergänzung vom Bekl., ihrem Bruder. Die am 4. 5. 1988 verstorbene Mutter der Parteien (Erblasserin) hatte mit Testamenten vom 15. 6. 1984 und 7. 6. 1986 den Bekl. zu ihrem Alleinerben bestimmt und der Kl. den Pflichtteil entzogen. Etwa drei Monate nach der letztwilligen Verfügung vom 15. 6. 1984 übertrug die Erblasserin dem Bekl. das von beiden gemeinsam bewohnte Hausgrundstück in M. zu Alleineigentum. Nach Nr. V („Gegenleistungen”) des Übergabevertrages vom 5. 9. 1984 räumte der Bekl. der Erblasserin ein unentgeltliches lebzeitiges Wohnrecht an der Wohnung im Erdgeschoß des Hauses ein. Darüber hinaus wurde u.a. vereinbart, daß der Bekl. der Erblasserin als Gegenleistung für die Übergabe des Anwesens eine Darlehensschuld in Höhe von 40000 DM, die in der Vergangenheit durch Geldleistungen des Bekl. an die Erblasserin als für Prozeßkosten und Renovierungskosten entstanden sei, erläßt. Die Erblasserin erkannte zudem an, daß der Bekl. insbesondere während der vergangenen fünf Jahre Pflegeleistungen und Leistungen zur Erhaltung des Anwesens erbracht habe; sie sagte ihm hierfür eine Vergütung in Höhe eines Betrages von 60000 DM zu, der ebenfalls als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks gelten sollte. Die Erblasserin verfolgte in einem Rechtsstreit Ansprüche gegen ihre Schwester wegen des Nachlasses nach der Mutter der Erblasserin. Am 10. 12. 1984 trat sie diese Ansprüche an den Bekl. ab. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, nach dessen Maßgabe u.a. die Schwester der Erblasserin an den Bekl. einen Betrag von 91900 DM zu zahlen hatte. Die Kl. erachtet die Entziehung ihres Pflichtteils für unwirksam. Sie könne deshalb den Bekl. wegen Schenkungen der Erblasserin auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch nehmen. Die Übertragung des Hausgrundstücks auf den Bekl. stelle eine Schenkung dar, mit Rücksicht auf das der Erblasserin eingeräumte Wohnrecht eine solche unter einer Auflage. Die im Vertrag als Gegenleistungen angeführten Forderungen des Bekl. gegen die Erblasserin bestünden nicht. Auch soweit dem Bekl. die im Rechtsstreit der Erblasserin gegen deren Schwester geltend gemachte Forderung abgetreten und ihm in der Folge die Vergleichssumme zugeflossen sei, liege darin eine unentgeltliche Zuwendung, die ergänzungspflichtig sei. Ihr stehe deshalb ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe eines Betrages von 131660,76 DM gegen den Bekl. zu. Der Bekl. hält die Pflichtteilsentziehung für wirksam. Die Erblasserin habe mit der Grundstücksübertragung eine Anstandsschenkung vornehmen wollen. Unter Berücksichtigung seiner Gegenleistungen halte sich der Wert des Geschenks auch im Rahmen einer solchen Schenkung. Der Geltendmachung eines Ergänzungsanspruchs durch die Kl. wegen des ihm nach dem Vergleich zugeflossenen Betrages stünden die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen; die Kl. habe im Prozeß auf seiten der Schwester der Erblasserin gestanden. Unter Berücksichtigung eines Vorausempfangs von 40000 DM habe die Kl. zudem bereits mehr erhalten, als ihr bei einem Pflichtteilsanspruch zustehen würde. Der Bekl. hat die Kl. im Wege der Widerklage auf Rückzahlung eines (Teil-)Betrages von 1000 DM in Anspruch genommen.


Das LG hat der Klage unter ihrer Abweisung im übrigen in Höhe eines Betrages von 108655,52 DM nebst Zinsen stattgegeben; die Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung des Bekl. ist erfolglos geblieben. Seine Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:


… Die Revision rügt mit Recht, das BerGer. habe bei Bestimmung der Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs den hierfür maßgeblichen Wert des dem Bekl. von der Erblasserin im Wege der Schenkung übertragenen Hausgrundstücks nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die weiteren Angriffe der Revision bleiben dagegen ohne Erfolg.


1. Das BerGer. geht davon aus, daß die Kl. zu dem Kreis der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge der Erblasserin gehört, durch die Testamente vom 15. 6. 1984 und vom 7. 6. 1986 von der Erbfolge ausgeschlossen ist und deshalb gem. § 2303 I BGB ihren Pflichtteil und – unter den Voraussetzungen des § 2325 BGB – auch Pflichtteilsergänzung verlangen kann, wenn die Erblasserin ihr den Pflichtteil nicht wirksam entzogen hat.


An einer wirksamen Pflichtteilsentziehung aber fehlt es, wie das BerGer. zutreffend annimmt. Das gilt schon deshalb, weil es in rechtsfehlerfreier Würdigung des Parteivorbringens zu dem Ergebnis gelangt ist, der beweispflichtige Bekl. (§ 2336 III BGB) habe einen Entziehungsgrund nicht hinreichend substantiiert dargetan. Dazu weist das BerGer. mit Recht darauf hin, daß es im Rahmen des hier in Rede stehenden Entziehungsgrundes nach § 2333 Nr. 2 BGB schon an ausreichendem Vortrag des Bekl. dazu fehlt, welches (vorsätzliche) Verhalten der Kl. im einzelnen negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Erblasserin gehabt haben soll. Hierfür reichte der dargelegte Zusammenhang des nicht näher erläuterten “Verhaltens” der Kl. mit den Erbauseinandersetzungen der Erblasserin mit deren Schwester ebenso nicht aus wie die Behauptung, die Kl. habe sich dabei auf die Seite der Schwester der Erblasserin gestellt. Fehlt es aber schon insoweit an hinreichender Substantiierung, was die Kl. zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Zielrichtung getan haben soll, ist erst recht nicht ausreichend dargetan, daß die Kl. bei diesem “Verhalten” mit dem zumindest bedingten Vorsatz handelte, die Erblasserin an der Gesundheit zu schädigen. Es kann der Revision auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn sie rügt, das BerGer. habe den Inhalt eines Briefes der Erblasserin an die Kl. vom 31. 8. 1983 nicht in seine Erwägungen eingestellt. Selbst wenn sich – wie die Revision meint – daraus ein Zusammenhang zwischen dem “Verhalten” der Kl. und gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Erblasserin entnehmen ließe, ergibt sich auch aus ihm kein konkreter Anhalt dafür, was im einzelnen die Kl. im Rahmen der Erbauseinandersetzung mit der Schwester der Erblasserin getan haben soll. Auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Briefes fehlt es daher insgesamt an ausreichendem Sachvortrag des Bekl. zu den Voraussetzungen des § 2333 Nr. 2 BGB; eine Beweisaufnahme durch das BerGer. war demgemäß entgegen der Auffassung der Revision nicht veranlaßt.


Auch was den Entziehungsgrund gem. § 2333 Nr. 3 BGB anlangt, geht das BerGer. zu Recht davon aus, daß der Bekl. dessen Voraussetzungen nicht hinreichend substantiiert dargetan hat; die Revision erinnert insoweit auch nichts.


2. Das BerGer. nimmt an, die Übertragung des Hausgrundstücks auf den Bekl. stelle eine ergänzungspflichtige Schenkung (§ 2325 BGB) dar. Das trifft zu.


a) Das BerGer. legt den Übergabevertrag vom 5. 9. 1984 dahin aus, das der Erblasserin vom Bekl. eingeräumte Wohnrecht bilde keine Gegenleistung für die Übertragung des Hausgrundstücks, vielmehr handele es sich mit Blick auf das Wohnrecht um eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 BGB). Bedeutsam sei insoweit, daß der Bekl. der Erblasserin das Wohnrecht aus dem ihm zuvor übertragenen Grundstück, also auf der Grundlage der zuvor erfolgten Zuwendung, habe verschaffen sollen. Diese rechtlich mögliche Auslegung (vgl. BGHZ 107, 156 (160) = NJW 1989, 2122 = LM § 530 BGB Nr. 11) durch das BerGer. zieht auch die Revision nicht in Zweifel.


b) Nach Auffassung des BerGer. stellt sich das Rechtsgeschäft aber auch des weiteren – trotz der im Vertrag unter Nr. V als solche bezeichneten Gegenleistungen – als im vollen Umfang unentgeltlich dar.


aa) Unter Berücksichtigung aller Umstände sei von einem Scheingeschäft (§ 117 BGB) auszugehen, soweit die Erblasserin dem Bekl. für während der vergangenen fünf Jahre erbrachte Pflegeleistungen und persönliche Leistungen zur Erhaltung des Anwesens zunächst mit der vertraglichen Regelung selbst eine Vergütung von 60000 DM verspreche, diese Schuld aber zugleich – nunmehr als Gegenleistung – wieder erlassen werde. Diese Würdigung des BerGer. greift die Revision nicht an; sie läßt Rechtsfehler nicht erkennen.


bb) Ohne Erfolg bekämpft die Revision aber auch die weitere Annahme des BerGer., wonach auch trotz des in Nr. V des Übergabevertrages vereinbarten Erlasses einer Darlehensschuld der Erblasserin in Höhe von 40000 DM von der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen sei. Das BerGer. führt dazu aus, der Bekl. sei bereits der Behauptung der Kl., wonach er in der Vergangenheit gar nicht in der Lage gewesen sei, der Erblasserin darlehensweise Geldbeträge zur Verfügung zu stellen, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten. Auch auf Aufforderung der Kl. habe er nichts dazu vorgetragen, wann und in welchen Teilbeträgen das behauptete Darlehen gewährt worden sei. Die Aufnahme der Darlehensschuld in den Übergabevertrag beweise das Bestehen von Darlehensansprüchen nicht.


Wenn die Revision letzterem entgegenhält, die dem notariellen Übergabevertrag zukommende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit müsse auch für die darin getroffene Feststellung gelten, daß die Erblasserin darlehensweise den genannten Geldbetrag erhalten habe, trifft das nicht zu. § 416 ZPO greift hier ohnehin nicht ein; diese Beweisregel erfaßt den Inhalt der Erklärung nicht. Aber auch die von der Revision herangezogene Vermutung besteht nur im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien, nicht gegenüber Dritten (BGHZ 109, 240 (245) = NJW 1990, 716 = LM § 9 (Bl) AGBG Nr. 27); Vertragsparteien aber sind die Erblasserin und der Bekl., nicht die Kl.


Das BerGer. hat entgegen der Auffassung der Revision aber auch die Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Allerdings ist es Sache des Pflichtteilsberechtigten, im Rahmen des Anspruchs nach § 2325 BGB zu beweisen, daß die Übertragung des Grundstücks unentgeltlich erfolgt ist. Er muß demgemäß beweisen, daß der Leistung des Erblassers keine Gegenleistung – hier der behauptete Erlaß einer Darlehensschuld der Erblasserin – gegenübersteht. Das Nichtbestehen einer solchen Darlehensverbindlichkeit und damit das Fehlen einer Gegenleistung zu beweisen, ist für den Pflichtteilsberechtigten aber dann mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden, wenn er als Dritter von den insoweit wesentlichen Tatsachen keine Kenntnis hat, weil das der behaupteten Gegenleistung zugrundeliegende Rechtsgeschäft allein im Verhältnis zwischen dem Erblasser und seinem Vertragspartner vollzogen worden sein soll. Solche Beweisschwierigkeiten des Pflichtteilsberechtigten bergen die Gefahr, daß der Erblasser und sein Vertragspartner den Rechtsfolgen des § 2325 BGB dadurch zu entgehen versuchen könnten, daß in der Vergangenheit unentgeltlich gewährte Leistungen im Rahmen des für den Anspruch aus § 2325 BGB maßgeblichen Vertrages nachträglich zu “Gegenleistungen” erklärt werden (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 706 = LM § 2325 BGB Nr. 23). In solchen Fällen ist den Beweisschwierigkeiten dadurch Rechnung zu tragen, daß es zunächst Sache des über die erforderlichen Kenntnisse verfügenden Anspruchsgegners ist, die für die Begründung der Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen im Wege des substantiierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vorzutragen (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 706 = LM § 2325 BGB Nr. 23 unter 3 a.E.; vgl. auch BGHZ 86, 23 (29) = NJW 1983, 687 = LM § 840 ZPO Nr. 10a; BGHZ 100, 190 (195) = NJW 1987, 2008 = LM § 823 (Be) BGB Nr. 29). Diese Verteilung von Darlegungs- und Beweislast gilt auch im vorliegenden Falle. Die unter Nr. V des Übergabevertrages enthaltenen Angaben, wonach der Bekl. der Erblasserin “in der Vergangenheit außerhalb des laufenden Unterhaltsbedarfs darlehensweise Geldleistungen in Höhe von 40000 DM (u.a. zur Finanzierung eines Zivilprozesses und für umfangreiche Hausreparaturen)“ erbracht habe, sind so unbestimmt, daß sie allein der Kl. den Beweis, der Bekl. habe ein Darlehen nicht gewährt, nicht ermöglichten. Demgemäß war es Sache des Bekl. – unbeschadet der Beweislast der Kl. für die behauptete Schenkung – substantiiert vorzutragen, zu welchen Zeitpunkten und zu welchem der genannten Zwecke er der Erblasserin welche Geldbeträge gewährt hat und daß er sich mit der Erblasserin über deren Rückzahlung einig war. An solchem Vortrag hat es der Bekl. fehlen lassen und damit die Unentgeltlichkeit schon nicht substantiiert bestritten.


c) Das BerGer. geht schließlich rechtsfehlerfrei auch davon aus, bei der Übertragung des Grundstücks habe es sich nicht um eine Schenkung i.S. des § 2330 BGB gehandelt.


Die Annahme einer sog. Anstandsschenkung (vgl. Senat, NJW 1984, 2939 = LM § 2330 BGB Nr. 5 unter II, 2) kam im vorliegenden Falle schon mit Rücksicht auf den Wert des Grundstücks und die Tatsache, daß es sich bei ihm um den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin handelte, nicht in Betracht. Aber auch die tatrichterliche Wertung, die Schenkung habe, nachdem die Erblasserin den Bekl. zuvor bereits zu ihrem Alleinerben bestimmt hatte, nicht einer sittlichen Pflicht der Erblasserin entsprochen, hält den Revisionsangriffen stand. Das BerGer. hat insoweit die anzulegenden Maßstäbe unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung (NJW 1984, 2939 = LM § 2330 BGB Nr. 5 unter II, 3, 4; NJW 1986, 1926 = LM § 534 BGB Nr. 3 = FamRZ 1986, 1079) zutreffend aufgezeigt; seine Wertung berücksichtigt sie und hält sich in ihrem Rahmen.


Die Revision meint, das BerGer. habe bei seinen Erwägungen, ob der Gesichtspunkt einer Alterssicherung für den Bekl. die Schenkung als sittlich geboten erscheinen lassen könne, nicht ausreichend beachtet, daß es für den gesundheitlich behinderten und in einer beruflichen Tätigkeit eingeschränkten Bekl. um Existenzsicherung schlechthin gegangen sei. Das stellt die tatrichterliche Wertung aber nicht in Frage. Denn der Bekl. hat nicht dargelegt, daß schon im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung die Erlangung des Eigentums am Grundstück zur Sicherung seiner Existenz erforderlich war. Auch die Revision vermag das nicht aufzuzeigen, zumal es schon mit Rücksicht auf das der Erblasserin eingeräumte Wohnrecht bei der Schenkung nicht darum gehen konnte, dem Bekl. etwa eine sofortige Verwertung des Grundstücks zur Existenzsicherung zu ermöglichen. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Erblasserin im Zeitpunkt der Schenkung mußte diese überdies davon ausgehen, daß die Kl. nach der Entziehung des Pflichtteils im Testament vom 15. 6. 1984 keinen Zugriff auf das Grundstück selbst oder den in diesem verkörperten Wert mehr haben würde. Aus ihrer Sicht war der Bekl. demgemäß “gesichert”. Vor diesem Hintergrund konnte das BerGer. rechtsfehlerfrei zu der Wertung gelangen, ein sittliches Gebot für die Erblasserin, dem Bekl. das Eigentum im Vorgriff auf die testamentarische Regelung sogleich schenkweise zu übertragen, habe nicht bestanden. Daß eine etwa mit der Schenkung verfolgte Absicht der Erblasserin, Zweifeln an der Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung durch eine Schmälerung des Nachlasses zu begegnen, nicht einer sittlichen Pflicht entsprechen kann, liegt auf der Hand.


3. Die Revision rügt allerdings mit Recht, das BerGer. habe bei der Bestimmung der Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Kl. den hierfür maßgeblichen Wert des dem Bekl. im Wege der Schenkung übertragenen Grundstücks nicht rechtsfehlerfrei bestimmt.


a) In seine Berechnung des Anspruchs hat das BerGer. den Wert des Hausgrundstücks mit 450000 DM eingestellt. Diesen Wert hatte bereits der vom LG beauftragte Sachverständige als für den 5. 9. 1984, den Tag der Beurkundung des Übergabevertrages, maßgeblichen Verkehrswert ermittelt. Der Rückgriff des BerGer. auf diesen Wert steht in mehrfacher Hinsicht nicht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 118, 49 = NJW 1992, 2887 = LM H. 2/1999 § 2325 BGB Nr. 26; BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791 = LM H. 10/1994 § 2325 BGB Nr. 27).


b) Das BerGer. hat schon das Niederstwertprinzip des § 2325 II 2 Halbs. 2 BGB nicht beachtet. Zur Feststellung des danach maßgeblichen Werts ist der Wert des Grundstücks bei Vollzug der Schenkung nach den Grundsätzen über die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Tag des Erbfalles umzurechnen und in dieser Höhe dem Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalles gegenüberzustellen. Maßgeblicher Stichtag für den Wert bei Vollzug der Schenkung ist der Tag der Umschreibung im Grundbuch (BGHZ 65, 75 (76) = NJW 1975, 1831 = LM § 2325 BGB Nr. 12/13). Das BerGer. hat die insoweit erforderlichen Feststellungen bisher noch nicht getroffen.


c) Zudem kann dem BerGer. auch in seiner Ansicht nicht gefolgt werden, der Wert des der Erblasserin vom Bekl. eingeräumten Wohnrechts habe bei der Wertbestimmung unberücksichtigt zu bleiben. Nach der Rechtsprechung des Senats sind im Rahmen der Pflichtteilsergänzung gem. §§ 2325, 2329 BGB Schenkungen, bei denen dem Schenker Nutzungen des weggeschenkten Gegenstandes verbleiben, lediglich in dem Umfang in Ansatz zu bringen, in dem der Wert des weggeschenkten Gegenstandes den Wert der kapitalisierten verbliebenen Nutzung überstieg. Das gilt unabhängig davon, ob der Schenker sich Nießbrauch vorbehält oder ob dieser wie eine Gegenleistung des Beschenkten oder eine Auflage an ihn formuliert ist (BGHZ 118, 49 (51) = NJW 1992, 2887 = LM H. 2/1993 § 2325 BGB Nr. 26).


Liegt der für den Zeitpunkt des Schenkungsvollzuges (zunächst ohne Berücksichtigung des Wohnrechts) ermittelte Wert des Grundstücks unter dessen Wert im Zeitpunkt des Erbfalls und kommt es daher gem. § 2325 II 2 BGB auf den Zeitpunkt der Schenkung an, so ist der hierfür festgestellte Betrag aufzuteilen in den Wert des Wohnrechts, das die Erblasserin sich hat einräumen lassen, einerseits und den verbleibenden Wert des Grundstückseigentums andererseits. Nur den so ermittelten Restwert des Grundeigentums hat die Erblasserin im Zeitpunkt der Schenkung aus ihrem Vermögen ausgegliedert (vgl. BGHZ 125, 395 (397) = NJW 1994, 1791 = LM H. 10/1994 § 2325 BGB Nr. 27); dieser ist sodann unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Todestag der Erblasserin umzurechnen. Nur wenn der Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalles der gem. § 2325 II BGB maßgebliche Wert ist, bleibt das Wohnrecht unberücksichtigt.