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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA)

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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Verjährungsunterbrechung einer Feststellungsklage auf das Pflichtteilsrecht

Eine Klage auf Feststellung des Pflichtteilsrechts hemmt nicht die Verjährung des Pflichtteilergänzungsanspruches wenn zu der beeinträchtigenden Schenkung in dem Klageverfahren nichts vorgetragen wird.

BGH, Urteil vom 27-03-1996 – IV ZR 185/95

BGB §§ 209, 2325, 2332 I


Zum Sachverhalt:


Die Parteien streiten noch um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 56875 DM. Der Kl. ist der Sohn des am 23. 9. 1987 verstorbenen R (Erblasser). Die Bekl. zu 1 ist die Ehefrau, die Bekl. zu 2 das adoptierte Kind des Erblassers. Der Bekl. zu 3 ist der Testamentsvollstrecker und frühere Nachlaßverwalter. Der Erblasser wurde aufgrund Erbvertrags vom 11. 11. 1986 von der Bekl. zu 1, den drei Kindern des Erblassers aus erster Ehe (darunter dem Kl.) und der adoptierten Bekl. zu 2 beerbt. Der Kl. schlug mit Erklärung vom 15. 12. 1987 die Erbschaft aus. Mit notarieller Urkunde vom 12. 12.1986 hatte der Erblasser der Bekl. zu 1 ein durch sein Vorableben aufschiebend bedingtes, lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Anwesen in L. eingeräumt, das am 16. 1. 1987 im Grundbuch eingetragen wurde. Von dem Nießbrauch erhielt der Kl. im Dezember 1988 durch einen Schriftsatz des Bekl. zu 3 vom 12. 12. 1988 Kenntnis. Am 15. 10. 1990 reichte der Kl. beim LG Klage gegen die Bekl. zu 1 und 2 ein mit dem Antrag, festzustellen, daß der Kl. bezüglich des Nachlasses des R pflichtteilsberechtigt ist zu 1/16 des Nettowertes des Nachlasses. Durch seit 19. 3. 1991 rechtskräftiges Urteil des LG vom 21. 1. 1991 wurde antragsgemäß erkannt. Zu dem Nießbrauch hatte der Kl. bis zur Verkündung des Urteils nichts vorgetragen. Mit der jetzigen, seit 14. 3. 1994 anhängigen Klage verlangt der Kl. neben dem restlichen, von den Bekl. inzwischen anerkannten ordentlichen Pflichtteilsanspruch Ergänzung seines Pflichtteils wegen des eingeräumten Nießbrauchs. Er sieht diesen als nach § 2325 I BGB ausgleichspflichtige Schenkung des Erblassers an die Bekl. zu 1 an. Der Kl. ist der Auffassung, ihm stehe 1/16 des von ihm mit 910000 DM bezifferten Wertes dieser Schenkung zu. Die von den Bekl. erhobene Einrede der Verjährung hält der Kl. für nicht durchgreifend, da die Verjährungsfrist durch die Feststellungsklage vom 15. 10. 1990 unterbrochen worden sei.


Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Aus den Gründen:


Der geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch ist verjährt.


1. Das BerGer. hat zutreffend angenommen, daß die Verjährungsfrist durch die jetzige, am 14. 3. 1994 eingereichte Klage nicht mehr unterbrochen werden konnte, weil sie bereits im Dezember 1991 abgelaufen war. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB verjährt gem. § 2332 I BGB grundsätzlich in drei Jahren. Der Fristbeginn setzt neben der Kenntnis des Erbfalles voraus, daß der Pflichtteilsberechtigte sowohl die beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen als auch die beeinträchtigende Verfügung unter Lebenden kennt (BGHZ 103, 333 (336f.) = NJW 1988, 1667 = LM § 2332 BGB Nr. 11; Senat, NJW 1995, 1157 = LM H. 8/1995 § 2332 BGB Nr. 14 = ZEV 1995, 219 unter II 1a). Wird diese Kenntnis zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlangt, ist der spätere maßgebend, hier also Dezember 1988, als der Kl. von dem Nießbrauch erfuhr.


2. Die Klage im Vorprozeß hat weder zur Unterbrechung der Verjährung noch zu einer rechtskräftigen Feststellung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs geführt.


a) Nach Ansicht des BerGer. ist die Verjährung nicht nach § 209 I BGB unterbrochen worden, weil der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht Streitgegenstand der Feststellungsklage vom 15. 10. 1990 gewesen sei. Zum Sachverhalt des jetzt geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs habe der Kl. im dortigen Verfahren nichts vorgetragen. Bei den Ansprüchen auf den Pflichtteil und auf Pflichtteilsergänzung handele es sich auch nicht um einen einzigen einheitlichen Anspruch, sondern um zwei selbständige Ansprüche, die unabhängig voneinander bestünden und verschiedene Rechtsverhältnisse i.S. von § 256 ZPO darstellten.


b) Demgegenüber meint die Revision, daß beide Ansprüche trotz fehlender Identität ihrem Grund und ihrer Rechtsnatur nach wesensgleich seien. Deshalb habe die den ordentlichen Pflichtteil betreffende Feststellungsklage gleichzeitig die Verjährung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch unterbrochen und zu dessen rechtskräftiger Feststellung durch das landgerichtliche Urteil vom 23. 1. 1991 geführt.


c) Das BerGer. hat richtig entschieden.


aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist für den Umfang der Rechtskraft und grundsätzlich auch für den Umfang der Verjährungsunterbrechung nach § 209 I BGB der den prozessualen Anspruch bildende Streitgegenstand maßgebend, der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird (BGH, NJW 1995, 1614 = LM H. 7/1995 § 847 BGB Nr. 95 unter II 1b; NJW 1993, 2439 = LM H. 1/1994 § 209 BGB Nr. 76 unter II 2bm.w.Nachw.).


Der Pflichtteilsergänzungsanspruch war nicht Streitgegenstand des Vorprozesses. Entsprechend dem Klageantrag ist im dortigen Urteil lediglich festgestellt worden, daß der Kl. bezüglich des Nachlasses des Erblassers zu 1/16 des Nettowertes des Nachlasses pflichtteilsbrechtigt ist. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB ist aber gerade nicht auf eine wertmäßige Beteiligung am Nachlaß gerichtet, weil der Gegenstand der Schenkung nicht zum Nachlaß gehört. Der für die Begründung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs kennzeichnende Sachverhalt ist die beeinträchtigende Schenkung unter Lebenden, hier die Einräumung des Nießbrauchs. Dazu hatte der Kl. nichts vorgetragen.


bb) Die von der Revision aus den früheren Senatsurteilen vom 29. 5. 1974 (NJW 1974, 1327 = LM § 2329 BGB Nr. 10) und vom 23. 2. 1972 (NJW 1972, 760 = LM § 2332 BGB Nr. 4) hergeleitete Wesensgleichheit von Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch führt hier zu keiner über den Streitgegenstand hinausreichenden Unterbrechung der Verjährung durch die Klage im Vorprozeß. Eine solche materiellrechtliche Wesensgleichheit von Ansprüchen ist nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung dafür, daß die Unterbrechungswirkung ausnahmsweise über den Streitgegenstand hinausgeht. Es handelt sich dabei um ein negatives Abgrenzungsmerkmal, d.h. die Unterbrechungswirkung tritt nicht ein, wenn die Unterschiede in der rechtlichen Ausgestaltung der Ansprüche so groß sind, daß eine Wesensgleichheit zu verneinen ist (vgl. BGH, NJW 1993, 2439 = LM H. 1/1994 § 201 BGB Nr. 76 m.w.Nachw.; NJW 1992, 1111 = LM H. 8/1992 § 690 ZPO Nr. 5). Dementsprechend war der Gesichtspunkt einer Wesensgleichheit für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs im Senatsurteil vom 23. 2. 1972 (NJW 1972, 760 = LM § 2332 BGB Nr. 4) und für die Unterbrechung der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs im Senatsurteil vom 29. 5. 1974 (NJW 1974, 1327 = LM § 2329 BGB Nr. 10) nicht allein ausschlaggebend. Als weitere Voraussetzung der Verjährungsunterbrechung muß hinzukommen, daß der zur Begründung des jetzigen Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt in seinem Kern bereits Gegenstand der früheren Klage gewesen ist. Nur so kann der Zweck der Vorschrift des § 209 I BGB erreicht werden, dem Schuldner unmißverständlich klarzumachen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird, damit er beurteilen kann, ob und wie er sich dagegen verteidigen will.


Diese Grundsätze stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Trotz der Ähnlichkeit des Pflichtteils- und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs handelt es sich um zwei selbständige Ansprüche (BGHZ 103, 333 (337) = NJW 1988, 1667 = LM § 2332 BGB Nr. 11; BGH, NJW 1995, 1157 = LM H. 8/1995 § 2332 BGB Nr. 14 = ZEV 1995, 219).