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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Beweisfragen bei einer Schenkung

Zu den Voraussetzungen des Beweises einer behaupteten Schenkung unter Ehegatten.

BGH Beschluss vom 17.11.2010

IV ZR 143/08

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Mai 2008 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 245.420,10 €

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihren Sohn und ihre Schwiegertochter, aufgrund eines notariellen Vertrages vom 1. Juli 1998 auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von jeweils 240.000 DM, insgesamt 480.000 DM in Anspruch. Den in dieser Urkunde genannten Darlehensbetrag hatte sie den Beklagten zuvor für den Erwerb eines Hausgrundstücks zur Verfügung gestellt, wobei die Zahlungen teils an die Beklagten, teils direkt an den Verkäufer erfolgt waren.

Die Beklagten haben sich darauf berufen, dass eine Rückzahlung durch den Beklagten zu 2 niemals und eine Rückzahlung der Beklagten zu 1 lediglich im Falle des Scheiterns der Ehe habe erfolgen sollen; der Darlehensvertrag sei nur „pro forma“ geschlossen worden, um diesen etwaigen Rückzahlungsanspruch zu sichern. Jedenfalls sei die Darlehensforderung erlassen worden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

II. Das Berufungsgericht hat – aufgrund wiederholter Beweisaufnahme – festgestellt, dass die Klägerin den Beklagten den Geldbetrag – mündlich – geschenkt habe und dieses zunächst unwirksame, aber durch Bewirken der Leistung geheilte Schenkungsversprechen auch über den Abschluss des notariellen Darlehensvertrages hinaus habe gültig bleiben sollen, dieser Vertrag folglich nur zum Schein abgeschlossen worden sei.

Die Beweiswürdigung, aufgrund derer der Tatrichter zu der Feststellung gelangt ist, dass die Beklagten ungeachtet des notariellen Darlehensvertrages den fraglichen Geldbetrag als Geschenk behalten und nicht zurückzahlen sollten, zieht jedoch wesentlichen Vortrag der Klägerin, insbesondere den Inhalt der notariellen Urkunde und das vorprozes-suale Verhalten der Beklagten, sowie einige Bekundungen der vernom- menen Zeugen nicht in Erwägung und verletzt damit das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, dass der notarielle Darlehensvertrag ein Scheingeschäft darstelle, zum einen auf die Aussage des Zeugen B. , wonach der Darlehensvertrag nur geschlossen worden sei, damit das Geld auch im Falle der Scheidung der Beklagten in der Familie der Klägerin bleibe, während von Anfang an klar gewesen sei, dass sein Bruder die 480.000 DM nicht zurückzahlen solle. Zum anderen gründet es sie auf die Aussagen der Zeuginnen G. und L. , die spätere Äußerungen der Klägerin über ihre eigene Großzügigkeit und die Bereitstellung des Geldes zur Finanzierung des Hauskaufs als vorgezogenes Erbe bekundet haben.

2. Dabei zieht das Berufungsurteil offenkundig nicht in Erwägung, dass diese Bekundungen der Zeugen einerseits mit einem rechtsgültigen Darlehensvertrag mit dem beurkundeten Inhalt ohne weiteres vereinbar sind, andererseits keiner der Zeugen eine ausdrücklich verabredete Schenkung bestätigt hat. Umgekehrt lässt es außer Acht, dass nur bei Gültigkeit des Vertrages das vom Zeugen B. wiedergegebene Ziel, die Beklagte zu 1 nach einer Scheidung in Anspruch nehmen zu können, zu erreichen war, und auch das von der Klägerin unwidersprochen vorgetragene vorprozessuale Verhalten der Beklagten eindeutig gegen einen fehlenden Rechtsbindungswillen bei der notariellen Beurkundung spricht.

a) Der beurkundete Darlehensvertrag enthält differenzierte Regelungen zu dem Schicksal der Darlehensforderung gegen die Beklagten gerade für den Fall, dass die Klägerin das Darlehen zu ihren Lebzeiten nicht kündigt, die es nahe legen, dass die Vertragsparteien vom Unterbleiben einer derartigen Kündigung als dem normalen Verlauf der Dinge ausgegangen sind. Sie stellen sicher, dass der Beklagte zu 2 in diesem Falle unbeschadet der Erbfolge nach der Klägerin von einer Rückzahlungsforderung verschont geblieben wäre, indem die Forderung gegen ihn nicht vererblich sein und mit dem Tode der Klägerin erlöschen sollte. Zugleich sichert diese vertragliche Regelung die vom Zeugen B. bekundete erstrebte Gleichstellung beider Brüder, indem sie weiter bestimmt, dass es sich in diesem Fall um eine ausgleichungspflichtige Zuwendung auf den Pflichtteil handeln soll, die Ausgleichung aber dann entfallen soll, wenn der Zeuge B. den im Vertrag näher bezeichneten Grundbesitz erhalten hat.

Diese Vertragsgestaltung lässt sich in Übereinstimmung damit bringen, dass die Klägerin – wie vom Zeugen B. geschildert – spätestens zum Zeitpunkt ihres Todes ihm den Grundbesitz und dem Beklagten zu 2 (endgültig) den fraglichen Geldbetrag zukommen lassen wollte. Die hiervon abweichende Regelung hinsichtlich der Rechtsnachfolge in die Forderung gegen die Beklagte zu 1 sowie die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit ausschließlich ihr gegenüber im Falle der Scheidung oder des Getrenntlebens der Eheleute hingegen ist geeignet, die Rückforderung des Darlehensbetrages von ihr zu sichern, was nach der Bekundung des Zeugen B. gerade den Hauptzweck des Vertrages darstellte.

Dieser Zweck wäre mit einem unwirksamen bloßen Scheingeschäft gerade nicht zu erreichen gewesen. Wäre dagegen eine Schenkung gewollt gewesen, die hinsichtlich der Beklagten zu 1 unter der auflösenden Bedingung der Trennung oder Scheidung der Eheleute hätte stehen sollen, so dass der zugewendete Geldbetrag als Schenkung in das Vermö- gen der Beklagten übergehen sollte, so hätte auch dieses – insbesondere in einem notariellen Vertrag – entsprechend geregelt werden können.

Das Berufungsgericht berücksichtigt in diesem Zusammenhang gleichfalls nicht, dass der Beklagte zu 2 selbst in der Klageerwiderung vorgetragen hat, dass eine Schenkung steuernegativ zu behandeln gewesen wäre. Gerade um die gewünschten steuerlichen Folgen zu erreichen, war deshalb offenbar die beurkundete Vertragsgestaltung erforderlich. War sie in gleicher Weise geeignet, auch die sonstigen, von den Parteien gewünschten Ziele zu erreichen, indem für den Fall des Bestands der Ehe ein Absehen von der Kündigung des Darlehens ins Auge gefasst und als der zu erwartende Verlauf der Dinge angesehen worden war, so spricht nichts dafür, dass die notariell beurkundeten Willenserklärungen von den Vertragsparteien übereinstimmend nicht wirklich gewollt waren. Auch das Berufungsgericht stellt nicht fest, dass tatsächlich hiervon Abweichendes nur mündlich ausdrücklich zwischen ihnen besprochen worden wäre. Selbst nach der Aussage des Zeugen B. soll sich dieses nur aus dem Zusammenhang ergeben haben.

b) Ebenso lässt sich der Inhalt der Aussagen der Zeuginnen G. und L. mit dem Inhalt des beurkundeten Darlehensvertrages in Einklang bringen. Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass die Klägerin ihnen gegenüber nicht von einem Darlehen gesprochen, sondern das Geld als ein vorgezogenes Erbe bezeichnet sowie ihre eigene Großzügigkeit hervorgehoben habe. Dies ist widerspruchsfrei damit zu erklären, dass die Klägerin bei diesen Äußerungen den im Vertrag geregelten und von ihr zunächst beabsichtigten Fall im Auge gehabt hat, dass sie das Darlehen zu ihren Lebzeiten nicht kündigen werde.

c) Schließlich ist im Berufungsurteil die vorprozessuale Rechtsverteidigung der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Diese haben im Anwaltsschreiben vom 16. Januar 2007 – nachdem sie auf Rückzahlung in Anspruch genommen wurden – lediglich eingewandt, dass an eine Kündigung des Darlehens „beim Abschluss nie gedacht“ worden sei und dass das Rückzahlungsverlangen der Klägerin „den ursprünglichen Absichten“ entgegenlaufe. Sodann haben sie mangels finanzieller Möglichkeit sofortiger Rückzahlung unter anderem eine Einigung auf eine Ratenzahlung angeboten und darauf verwiesen, dass der Betrag als vorweggenommenes Erbe gedacht gewesen sei, ohne indes die rechtsverbindliche Vereinbarung eines Darlehens in Frage zu stellen.

d) Der Schluss des Berufungsgerichts, dass der Darlehensvertrag „folglich“ nur zum Schein abgeschlossen wurde, hat nach alledem keine tragfähige Grundlage und erscheint objektiv willkürlich.

Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der vorstehend dargestellten, von ihm nicht abgewogenen Umstände zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

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21.01.2011

Rechtsanwalt Haberbosch