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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA)

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Rechtsgebiete:

– Erbrecht
– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht

Ausgleichung nach § 2057a BGB bei Pflege- oder Hilfeleistungen

Die Ausgleichung nach §2057a BGB ist unter allen tatsächlichen Gesichtspunkten zu bemessen. Insbesondere muss der Ausgleichungsbetrag angemessen zur Lebensführung des Verstorbenen und zum sonstigen Umfang des Nachlasses sein.

LG Konstanz: Urteil vom 28.11.2009 – 5 O 249/08

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 18. Dezember 2009

5. Zivilkammer …, als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Rechtsstreit …- Klägerin – Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

… – Beklagte – Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen Feststellung

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2009

durch Richter am Landgericht … als Einzelrichter für Recht erkannt:


1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin auf Ableben der …, verstorben am 02.02.2006 in Singen, eine Leistung nach § 2057 a Abs. 1 BGB in Höhe von 30.000,00 € auszugleichen hat.


2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.


4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand


Die Mutter der Parteien, …, verstarb am … 2006 in S. Sie wurde im Wege der gesetzlichen Erbfolge von den Parteien und der weiteren Schwester … zu je 1/3 beerbt. Zum Nachlass gehört ¼ Anteil der Erblasserin am Grundstück H-str. …, S. sowie ein Anteil der Erblasserin an der Erbengemeinschaft nach ihrem Ehemann …, verstorben am … 1992. Die rechnerische Quote der auf die Erblasserin entfallenen Anteile an der Immobilie … beträgt einschließlich des Anteils der Erbengemeinschaft 3/8. Das Grundstück hat einen Verkehrswert von ca. 250.000,00 €.


Die Erblasserin war seit 1998 aufgrund zunehmender Demenz und einer chronischen Harnwegsinfektion hilfebedürftig. Sie wurde überwiegend von der Klägerin versorgt und gepflegt. Zu Beginn war die Klägerin noch vollschichtig bei der Bahnhofsbuchhandlung in Singen zu einem Gehalt von monatlich zwischen 1.700,00 DM und 2.100,00 DM beschäftigt. Ab März 1999 war die Klägerin nicht mehr berufstätig und kümmerte sich ausschließlich um die Erblasserin. Im April 2001 erlitt die Erblasserin einen Schlaganfall und befand sich danach in der Pflegestufe 3. Die Erblasserin war harn- und stuhlinkontinent und konnte zu Beginn lediglich liegen, später verbesserte sich ihr Zustand, sodass sie wieder sitzen und stehen, aber nicht laufen konnte. Die Erblasserin wurde bis zu ihrem Tode zuhause von der Klägerin gepflegt und versorgt.


Es war eine Betreuung für die Erblasserin beim Amtsgericht Singen eingerichtet. Die Klägerin erhielt vom Betreuer ab Januar 2001 1.200,00 DM monatlich, ab August 2001 1.500,00 DM und 800,00 DM Essensgeld monatlich, ab Januar 2002 das Pflegegeld Stufe 3 in Höhe von 665,00 €, Essensgeld in Höhe von 550,00 € und pauschal 700,00 €.


Die Klägerin trägt vor:


Der monatliche Bedarf der Erblasserin habe bei durchschnittlich 1.060,00 € gelegen. Insoweit kann wegen Einzelheiten auf die Darstellung auf Seite 3 der Klageschrift verwiesen werden. Bei einer Heimunterbringung wären monatliche Kosten von 3.100,00 € angefallen. Dem Nachlass seien daher monatlich ab April 2001 mindestens Kosten in Höhe von 3.100,00 € abzüglich 1.915,00 €, also 1.185,00 € erspart geblieben. Bei 58 Monaten ergebe sich somit ein Vorteil für den Nachlass in Höhe von 68.730,00 €.


Zudem habe die Klägerin auf eigenes Einkommen verzichtet. Ausgehend vom letzten Durchschnittseinkommen von 1.900,00 DM ergebe sich bei einer entsprechenden Indexierung ein mögliches Monatseinkommen von 1.104,00 €. Die Klägerin habe monatlich für sich lediglich 855,00 € brutto, d. h. fiktiv nur 681,00 € netto zur Verfügung gehabt. Dies ergebe einen Einkommensverzicht von 423,00 € monatlich, mithin auf die Dauer der 58 Monate einen Gesamtbetrag von 24.534,00 €.


Das arithmetische Mittel zwischen Einkommenseinbuße und Werterhalt des Nachlasses betrage 46.632,00 €, sodass ein Ausgleichsbetrag von 46.000,00 € mindest angemessen sei.


Die Klägerin beantragt:


Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin auf Ableben der …, verstorben am … 2006 in S., eine Leistung nach § 2057 a Abs. 1 BGB im Betrag von mindestens 46.000,00 € auszugleichen hat.


Die Beklagte beantragt:


Die Klage wird abgewiesen.


Die Beklagte trägt vor:


Die Klägerin habe monatlich 700,00 € pauschal und das Essensgeld von 550,00 € erhalten, sodass ein angemessenes Entgelt nach § 2057 a Abs. 2 BGB vorliege. Zudem hätten die Parteien eine Vereinbarung über den Abkauf des Erbteils der Beklagten durch die Klägerin getroffen. Man habe sich hierbei mündlich auf 20.000,00 € verständigt.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf die gewechselten Schriftsätze sowie die informatorische Anhörung der Parteien am 27.11.2009 verwiesen werden.


Entscheidungsgründe


Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.


Bei der Erbauseinandersetzung der Parteien ist nach § 2057 a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 BGB ein Ausgleichungsbetrag zugunsten der Klägerin in Höhe von 30.000,00 € zu berücksichtigen.


1. Die Klägerin hat durch Mitarbeit im Haushalt in besonderem Maße dazu beigetragen, dass das Vermögen der Erblasserin erhalten wurde. Abzüglich des Pflegegelds Stufe 3 wurden bei der Pflege der Erblasserin zuhause 1.250,00 € monatlich aufgewendet.


Dem hätte ein monatlicher Aufwand von ca. 2.000,00 € bei einer Heimpflege der Erblasserin gegenüber gestanden. Auf diesen Betrag schätzt das Gericht den entsprechenden Eigenanteil der Erblasserin, der sich bei monatlichen Heimunterbringungskosten von ca. 3.300,00 € bis 3.500,00 € abzüglich der Leistungen bei Pflegestufe 3 bei Heimunterbringung in Höhe von 1.300,00 € bis 1.450,00 € ergeben hätte.


Der geschätzte monatliche Vorteil beläuft sich somit auf 750,00 €, für den Zeitraum ab dem Schlaganfall bis zum Tod der Erblasserin somit auf 43.500,00 €.


Damit sind die Voraussetzungen des § 2057 a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt.


2. Gleiches gilt für die Voraussetzungen des § 2057 a Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass die Klägerin die Erblasserin während längerer Zeit gepflegt hat, steht unstreitig fest.


Dies erfolgte auch unter Verzicht auf eigenes Einkommen. Selbst wenn die Klägerin aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers ihre letzte Arbeitsstelle verloren hätte, ist davon auszugehen, dass sie in der Lage gewesen wäre, eine neue Arbeitsstelle mit ähnlichem Lohnniveau zu finden. Es begegnet daher keinen Bedenken, von einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1.104,00 € entsprechend der Darlegung der Klägerin auszugehen.


Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2009 ist das Gericht davon überzeugt, dass von einem durchschnittlichen monatlichen Bedarf der Erblasserin von 1.060,00 € entsprechend der Darstellung in der Klageschrift ausgegangen werden kann. Die genannten Zahlen sind plausibel und wurden von der Klägerin in der Verhandlung, soweit Erläuterungsbedarf bestand, näher dargestellt. Insbesondere hat das Gericht auch keine Zweifel an einem monatlichen besonderen Pflegeaufwand von durchschnittlich 500,00 €. Dies erscheint im Hinblick auf den Zustand der Erblasserin ein durchaus zu erwartender angemessener Bedarf. Aufgrund dessen und Erfahrungen in anderen Rechtsstreiten, bei denen es um vergleichbare Fragestellungen ging, hat das Gericht keine Bedenken, den von der Klägerin angegebenen Betrag einer Schätzung nach § 287 ZPO zugrunde zu legen. Es verblieb der Klägerin somit monatlich ein Betrag von 733,00 € netto (855,00 € abzüglich monatlicher Aufwendungen von 122,00 € für die Krankenversicherungsbeiträge). Somit ergibt sich eine monatliche Einkommenseinbuße von 371,00 €, mithin für den Zeitraum von 58 Monaten ein rechnerischer Einkommensverzicht von 21.518,00 €.


3. § 2057 a Abs. 2 BGB steht einer Ausgleichung nicht entgegen. Die Beträge, die der Klägerin tatsächlich verblieben, stellen kein angemessenes Entgelt für die geleisteten Pflegeleistungen dar. Welcher Betrag hier letztlich angemessen wäre, kann offen bleiben, 733,00 € monatlich sind es jedenfalls nicht.


Auch eine etwaige außergerichtliche mündliche Vereinbarung über einen Kauf des Erbteils für 20.000,00 € steht einer Ausgleichung nicht entgegen, da eine entsprechende Vereinbarung nach den §§ 125, 2371 BGB unwirksam wäre.


4. Nach § 2057 a Abs. 3 ist die Ausgleichung so zu bemessen, wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde und in welchem Umfang die Klägerin auf eigenes Einkommen verzichtet hat. Andererseits müssen auch die Vermögensinteressen der weiteren Erben sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält das Gericht einen Ausgleichungsbetrag von 30.000,00 € für angemessen.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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Freiburg , 26.01.2011

Rechtsanwalt Haberbosch